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Die Spur der Kinder

Titel: Die Spur der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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den Kopf und drehte nervös das Glas Cola auf dem Tresen. »Ich war von vornherein dagegen gewesen, aber Pauline hat so lange auf mich eingeredet, bis …«, wieder ein Kopfschütteln. »Wir haben uns schließlich gestritten. Dann ist sie rausgerannt.« Seine Stimme brach ab. »Das nächste Mal habe ich sie im Leichenschauhaus wiedergesehen.«
    »Das tut mir leid.«
    Er fuhr sich mit einer schnellen Bewegung durch die Haare. »Ich hätte sie niemals alleine zu diesem Bastard fahren lassen dürfen. Verdammt! Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie in einen Hinterhalt gelockt wurde!«
    Behutsam legte Fiona ihre Hand auf seine Schulter. »Wie lange ist das Ganze her?«
    »Letztes Jahr. Am achtzehnten Oktober.« Seine Antwort klang wie ein Geständnis. »Es hört sich vielleichtverrückt an«, setzte er an, »aber obwohl Pauline längst unter der Erde ist, steht sie mir irgendwie immer noch sehr nahe. Inzwischen vielleicht mehr wie eine beste Freundin. Und manchmal, wenn ich so richtig verzweifelt bin, dann gehe ich an ihr Grab und hole mir Rat.«
    »Nein, so verrückt klingt das gar nicht.«
    Unverhofft schmunzelte Karstens. »Ist schon komisch.«
    Sie lächelte. »Was denn?«
    »Außer Ihnen habe ich das bisher noch niemandem so genau erzählt«, antwortete er heiser. »Aber genug von mir, am Telefon sagten Sie, es gebe da was, worüber Sie mit mir sprechen wollten?«
    Fiona hatte Mühe, den Blickkontakt zu halten, da sie Karstens’ Gesichtszüge in einem Moment verschwommen und im nächsten wieder gestochen scharf sah.
    »Ich … ich weiß es nicht mehr. Ich glaube, es hat sich schon erledigt.«
    »So? Worum ging’s denn?«
    Sie stützte ihr Kinn in die Hand, damit es zumindest so schien, als ob sie über seine Frage nachdachte. »Ist nicht so wichtig«, log sie schließlich und war unendlich dankbar, dass Karstens dies einfach so akzeptierte, und ließ ihr Glas ein weiteres Mal füllen.
    »Hut ab, für ’ne Lady sind Sie aber ziemlich gut bei der Sache«, bemerkte er verblüfft.
    Statteiner Antwort schenkte Fiona ihm ein Lächeln. Für einen Augenblick sah sie sich selbst aus der Satellitenansicht von Google Earth und zoomte in Gedanken den Bildausschnitt heran, um sich zu vergewissern, dass tatsächlich sie es war, die da in diesem Land, in dieser Stadt, in dieser Bar, an diesem Tresen mit diesem Polizisten saß. Betrunken.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Karstens.
    »Alles bestens«, meinte Fiona, beschämt über ihren inzwischen lallenden Unterton.
    »Vielleicht rufe ich Ihnen besser ein Taxi.«
    »Ist nicht nötig, ich hab’s nicht weit.«
    »Kommt gar nicht in Frage, dass Sie um diese Zeit noch alleine nach Hause laufen«, sagte er und nickte zum Ausgang hin. »Mein Wagen steht vor der Tür. Ich fahr Sie.«
    Nachdem sie gezahlt hatten, folgte Fiona Piet Karstens leicht schwankend nach draußen. Gegen die verrauchte Bar war die schwüle Luft der lauen Sommernacht die reinste Erholung. Fiona hakte sich bei Karstens ein und ließ sich zu seinem Passat auf der anderen Straßenseite geleiten. Erschöpft glitt sie auf den Beifahrersitz. Karstens startete den Wagen und fuhr los.
    Verkehrsschilder, Leuchtreklamen, Trams – alles zog unscharf an Fiona vorbei, während sie mit schläfrigem Blick aus dem Fenster sah. Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen und sich ganz und gar in Piet Karstens’ schützende Obhut begeben.Sie wünschte sich, dass die Fahrt noch Ewigkeiten andauerte, bevor er sie wieder in der kalten Realität absetzte … Die Augen fielen ihr für einige Sekunden zu, und sie bemerkte, wie sich alles in ihrem Kopf zu drehen begann.
    »So, da wären wir«, meinte Karstens nach einer Weile und brachte den Passat vor Fionas Haustür zum Stehen.
    Fiona wandte den Kopf zur anderen Straßenseite, als ihr der Gedanke an die dunkle Wohnung, die bis heute Nachmittag ihr Zuhause gewesen war, plötzlich die Luft abschnürte. »Bringen Sie mich hier weg!«
    »Was? Aber wieso? Wohin denn?«
    »Ganz egal, einfach nur weg hier! Bitte!«
    Karstens musterte sie eindringlich, wie um sich zu vergewissern, dass er sie richtig verstanden hatte. Dann startete er den Wagen und drückte aufs Gas.
    Fiona kramte eine Packung Zigaretten aus ihrer Handtasche, hielt kurz inne und ließ sie wieder zurück in die Tasche fallen.
    »Kein Problem, rauchen Sie ruhig.«
    »Nein, nein, schon gut.«
    »Doch, rauchen Sie nur, ist wirklich kein Problem.« Er grinste.
    »Na dann«, murmelte sie, nahm ein Feuerzeug zur Hand und

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