Die Spur der Kinder
als sei der Leibhaftige hinter ihm her. Jeder Zentimeter seines Körpers schrie vor Schmerz, doch Funk gab nicht auf, lief weiter, bis ihm die Luft wegblieb. Wie von Sinnen hastete er auf eine nahegelegene Holzhütte zu. Hörte, wie sich das scharfe Knurren der Hunde rapide näherte. Nur noch wenige Meter bis zur Hütte. Funk lief um sein Leben. In letzter Sekunde erreichte er den Unterschlupf, hievte sich zur hölzernen Tür hinauf und schob gerade den morschen Riegel mit der Schulter beiseite, als er jäh die Zähne des ersten Rottweilers in seiner Wade spürte. Sie rissen an seinem Fleisch. Panisch versuchte Funk, das Tier abzuschütteln, doch da sprang ihm die zweite Bestie an die Hüfte und biss sich daran fest. Funk ging zu Boden, und seine schmerzverzerrten Schreie verhallten im menschenleeren Wald.
***
(Berlin-Mitte)
Es war Ewigkeiten her, seit Fiona diese Bar zuletzt betreten hatte. Je weiter sie sich durch die Menschenmenge schob, um nach einem freien Platz Ausschauzu halten, desto stickiger und feuchter wurde die Luft, in der rauchiger Kneipendunst und der Atem unzähliger Münder lag. Fiona schnorrte bei einer Gruppe Spanierinnen eine Zigarette und nahm am Tresen Platz. Ein Barkeeper im Iggy-Pop-Shirt schob Fiona die Getränkekarte über die Theke. Mehr der Form halber überflog sie die Auswahl und bestellte Sekunden später einen doppelten Whisky.
»Nehmen Sie lieber einen Whisky Sour«, grinste der gestriegelte Glatzkopf neben ihr, der bis eben noch das Fußballspiel auf einem übergroßen Flatscreen verfolgt hatte. »Glauben Sie mir, die machen hier den besten Whisky Sour der Stadt.«
»Dann sind Sie wohl nicht von hier, was?«, fertigte Fiona ihn ab.
Brüskiert hob der Mann die Hände. »Huuh, sieh an, eine Kratzbürste …«
»Gibt’s hier ein Problem?«, tönte es im Rücken des Mannes. Hinter ihm stand Kommissar Piet Karstens.
»Hey, Mann, reg dich ab!«, fauchte der Glatzkopf, nahm sein Bierglas und verzog sich vor die Mattscheibe im hinteren Teil der Bar.
Karstens’ Blick ruhte noch eine Weile auf dem Mann, bis er sich vergewissert hatte, dass er nicht mehr zu Fiona herüberschaute. Dann nahm der Kommissar auf dem frei gewordenen Barhocker Platz. Er trug das schwarze, enganliegende Hemd, dassie schon einmal an ihm gesehen hatte. Doch sein Auftreten hatte dieses Mal etwas Privates, und unter anderen Umständen hätte die Situation fast schon etwas von einem ersten Date gehabt.
Fiona lächelte und zog an ihrer Zigarette. »Danke, dass Sie so schnell kommen konnten.«
»Ist doch selbstverständlich«, meinte Karstens, als er ihre plötzliche Irritation bemerkte. »Ist irgendwas nicht in Ordnung?«
Fiona zeigte auf seine linke Gesichtshälfte. »Sie … Sie haben da was Rotes an der Backe.« Erschrocken zog sie ihre Hand zurück. »Ist das Blut?«
»Ach das, nein, das ist nur Farbe, nichts weiter«, erklärte er und rieb sich mit dem Handrücken über die Wange.
Erst jetzt erkannte Fiona, dass er die Farben der Deutschland-Flagge abwischte. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht irgendwo rausgeholt oder halte Sie von irgendetwas ab?«
»Mich? Nein, kein Problem. Ehrlich gesagt ist das sowie ein ganz miserables Spiel heute.« Er prostete ihr zu.
»Wie sagt man … je später der Abend, desto interessanter die Gäste«, lächelte er, als im hinteren Teil der Bar ein Jubeln laut wurde.
»Tooor! Toooor! Tooooor!«, drang die Stimme des Kommentators durch die Kneipe. Das zwei zu null für Deutschland war gefallen. Fiona sah Karstensan, dass er gegen den Impuls ankämpfte, sich zum Fernseher umzudrehen.
Fiona stürzte ihren Whisky herunter und streckte dem Barmann das leere Glas entgegen. »Noch einen bitte!«
»Das mit Ihrer Freundin tut mir leid«, räusperte sich Karstens und bedeutete dem Barkeeper mit einem Fingerzeig auf Fionas Glas, ihm das Gleiche zu bringen.
Fiona blies Rauchkreise in die Luft. »Sie war nicht meine Freundin.«
»Trotzdem, traurige Sache mit diesen Junkies«, murmelte er mit einem Kopfschütteln.
Fiona räusperte sich. »Haben Sie eigentlich mal in Erwägung gezogen, dass sich Theresa den Schuss vielleicht gar nicht selbst gesetzt hat?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ach, war nur so eine Frage«, sagte Fiona und winkte ab. Sie drückte ihre Zigarette im Ascher aus.
»Für mich sah das nach einer klassischen Überdosis aus. Der berühmte goldene Schuss. Sind Sie anderer Meinung, oder warum schauen Sie mich jetzt so zweifelnd an?«
»Nein, nein, Sie haben sicher
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