Die Spur der Kinder
Das fehlte gerade noch …
Sie zog eine Brandenburgkarte aus dem Handschuhfach und versuchte, sich anhand der eingezeichneten Wanderwege und Wasserstraßen zu orientieren. Schließlich begriff sie, dass sie es keinesfalls zu Fuß ins nächstgelegene Dorf schaffen würde, und faltete, nein knüllte die Karte wütend zusammen, als plötzlich etwas an ihrem Fenster vorbeihuschte. Fiona riss den Kopf zur Seite und schrak vom Fenster zurück.
Was zum Teufel war das?
Ihr Puls raste, als sie sich abermals umblickte. Bestimmt hatte sie sich getäuscht.
Und jetzt? Was jetzt, Frau Seeberg?
Für einen Augenblick überlegte sie, was ihre Romanheldin nun tun würde, kam jedoch zu dem Entschluss, dass diese sich gar nicht erst in solch eine beschissene Situation gebracht hätte. Denn hier draußen war absolut niemand, keine Menschenseele.
Zumindest dachte Fiona das. Die Gestalt, die sich ihr jetzt humpelnd aus den Büschen näherte, bemerkte sie nicht.
Noch nicht.
***
(InBerlin)
Mit quietschenden Sohlen jagte Rolf Jobst einem Squashball hinterher und schlug ihn mit voller Wucht zurück an die Wand. Nochmals und noch einmal. Dann sprang der Ball ins Aus.
»Rolf Jobst, so sieht man sich wieder«, sagte Piet Karstens, der den Ball hinter ihm abgefangen hatte und jetzt mit einem Lächeln auf Rolf zukam, das nichts Gutes zu bedeuten hatte.
Rolf wischte sich mit dem Handrücken über die nasse Stirn und stützte sich keuchend auf seinen Knien ab. Sein verschwitztes T-Shirt klebte an seiner Brust. Er brauchte einen Moment, ehe er erkannte, wen er da vor sich hatte.
»Sieh einer an, Kommissar Piet Karstens. Was verschafft mir die Ehre?«
Er richtete sich schwer atmend auf und umfasste den Griff seines Schlägers mit beiden Händen. »Wenn ich mich recht erinnere, haben wir uns das letzte Mal vor Gericht getroffen. Tja, ist ganz schön dumm für Sie gelaufen, was?«
Zornig warf Karstens den Ball von sich und trat auf Rolf zu. »Na, wie war das damals, sich an den kleinen Kindern in der Praxis zu vergehen? Hat’s Spaß gemacht, hä?«
»Wie oft denn noch – ich habe kein Kind angerührt, niemals!«, verteidigte sich Rolf.
»Ts … ja, ja, reden Sie nur«, sagte Karstens, entrissihm den Schläger und schleuderte diesen wütend in die Ecke. »Rein zufällig habe ich davon erfahren, dass Sie eng mit Fiona Seebergs Lebensgefährten befreundet waren … die kleine Sophie haben Sie also auch in Ihrer Praxis ›behandelt‹, nicht wahr?«
Er schubste Rolf, so dass dieser nach hinten taumelte und beinahe zu Boden ging.
»Sie machen einen gewaltigen Fehler, Karstens!«
»Ja klar«, lachte Piet Karstens abfällig, »und als Nächstes wollen Sie mir noch weismachen, Sie hätten auch mit dem Verschwinden von Sophie nichts zu tun, was?«
Ein Handy klingelte.
Karstens ließ widerwillig von Rolf ab. Dann trat er ein paar Schritte zurück und nahm das Gespräch an, ohne Rolf auch nur für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen zu lassen.
»Kikki, was gibt’s?«
»Wir haben ihn – es ist Fritz Brommer! Entgegen seiner Aussage hat ihn Behrendt eindeutig auf den Überwachungsbändern des Berliner Zoos identifiziert. Er war da, als Luna verschwand«, teilte sie ihm aufgeregt mit.
Nachdenklich schwieg Karstens in sich hinein. »Ich nehme an, sie hat ihn gleich festgenommen?«, fragte er dann.
»Ja, das heißt nein. Du weißt es nicht von mir, aber: Als Frauke ihn verhaften wollte, ist Brommer getürmt und ist seitdem flüchtig.«
»Dasglaube ich jetzt nicht!«, brach es aus Karstens heraus, obgleich er eine gewisse Schadenfreude über Behrendts Scheitern nicht leugnen konnte.
Er hörte Kikki seufzen. »Frauke ist bereits mit einem Sondereinsatzkommando auf dem Weg in den Spreewald. Brommer hat dort wohl einen Ferienbungalow, und sie geht davon aus, dass er sich dort aufhält.«
»Okay, danke.«
»Moment, Piet, das ist noch nicht alles«, tönte es aus der Leitung. »Fiona Seeberg ist soeben an der Ortseinfahrt von Lübbenau geblitzt worden – das ist ganz in der Nähe von Brommers Bungalow.«
»Was? Aber was hat die denn da zu suchen?«, dachte Karstens laut.
»Ich hab keine Ahnung, Piet. Aber nach der Aktion mit der geklauten Waffe trau ich dieser Frau alles zu.«
»War auf dem Radarfoto sonst noch jemand zu erkennen?«
»Nein, nur die Seeberg. Die ist mit fast hundert Sachen durch die Ortschaft gebrettert. Sieht aus, als hätte sie’s ziemlich eilig gehabt.«
Karstens runzelte die Stirn. »Nach einer
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