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Die Spur der Kinder

Titel: Die Spur der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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»Oder wollen Sie vielleicht noch zuschauen, wie sich ein alter Mann umzieht?«
    Missmutig verließ Behrendt das Zimmer und nahm auf einem Sessel auf dem Gang Platz. Erst jetzt bemerkte sie die weißhaarige, vermutlich hundertjährige Frau im Nachthemd, die sie die ganze Zeit über aus der gegenüberliegenden Tür beobachtet hatte.
    »Hiergibt’s nichts zu sehen!«, schnauzte Behrendt und blickte abwechselnd von ihrer Armbanduhr zu Brommers Tür. Mit ungutem Gefühl erhob sie sich und klopfte. »Brommer, wird’s bald?«
    Es kam keine Antwort.
    »Bommer?«
    Energisch schlug Behrendt die Tür auf. Brommers leere Reisetasche lag auf dem Bett. Die Tür zum Garten stand offen. Von Brommer selbst fehlte jede Spur.
    »Shit!« Behrendt sprintete mit ihren Kollegen Richtung Garten und riss den Kopf von links nach rechts. Brommer war weg.
    »Das darf doch nicht wahr sein! So eine Scheiße!« Sie schlug ihre Hände über dem Kopf zusammen und trat wütend gegen einen Mülleimer.
    ***
    (In Berlin-Mitte)
    Mit Unbehagen betrat Fiona die Tiefgarage. Als sie die Kreidemarkierung sah, die die Spurensicherung um Adrians Leichnam auf dem Boden gezeichnet hatte, hörte sie den Schuss noch einmal durch das Untergeschoss dröhnen. Sie stieg in den Wagen. Im Seitenfach lagen Adrians CD s, sein karierterSchal auf der Rückbank, seine Kaugummis in der Mittelkonsole. Als Fiona den Jaguar startete, sprang der Player an und der Singsang eines Berliner Gangsta-Rappers dröhnte aus den Boxen. Fiona lachte bitter. Hatten Adrian und sie eigentlich noch irgendetwas gemein gehabt, das über den Schmerz von Sophies Verlust hinausgegangen war? Fiona schaltete die Musik ab.
    Als sie die Adresse des Ausflugslokals in das Navigationssystem eintippte, wurde angezeigt, dass die Route bereits gespeichert und vierzehnmal gefahren worden war. Natürlich, dachte Fiona und kam sich einmal mehr wie ein Idiot vor. Sie lenkte den Jaguar aus der Tiefgarage und ließ sich von der monotonen Stimme des Navis in den Spreewald lotsen.
    Nach einer knappen Stunde fuhr Fiona von der Autobahn ab und folgte dem Streckenverlauf durch das urwüchsige Naturreservat, bevor sie in einen Schotterweg einbog und zwischen VW-Bussen, Kombis und unzähligen Motorrädern vor der Grünen Pforte parkte. Um Viertel vor fünf war der Biergarten noch immer so überfüllt, dass Fiona mit einem Fensterplatz im Innern des rustikalen Gasthauses vorliebnehmen musste. Schlager dudelten aus den Boxen, und es roch nach frisch gebrühtem Kaffee.
    Mehr der Form halber bestellte sie bei der Bedienung,einer fülligen älteren Frau mit Schultertuch und Spitzenschürze, einen Kaffee und ein Stück hausgemachten Apfelkuchen, wenngleich ihr beim Anblick der fröhlichen Familien um sie herum auf einmal jeglicher Appetit vergangen war. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, hierherzukommen, dachte Fiona. An jedem der Tische sah sie Sophie sitzen, die gelangweilt mit ihrem Essen spielte, während Adrian und Theresa vor aller Augen ungeniert herumturtelten.
    Sie müssen ausgesehen haben wie eine nette kleine Familie. Fiona wollte sich gar nicht erst ausmalen, was sich in Sophies Gegenwart noch alles zwischen Theresa und Adrian abgespielt haben mochte.
    Eine junge Kellnerin, ebenfalls in sorbischer Tracht, brachte den Kaffee.
    »Entschuldigung, haben Sie vielleicht schon mal dieses Mädchen hier gesehen?«, fragte Fiona und zog ein Foto von Sophie aus ihrer Tasche.
    »Nein, tut mir leid«, entgegnete die Kellnerin kopfschüttelnd und wandte sich wieder ab.
    »Moment noch, sind Sie sich wirklich ganz sicher?«
    Noch einmal drehte sich die junge Frau um und betrachtete das Foto. Dieses Mal etwas länger.
    Fiona setzte ein höfliches Lächeln auf. »Ist zwar schon eine Weile her, aber hier hat sie ihren Kuchen immer am liebsten gegessen«, log sie.
    Erneutschüttelte die junge Frau den Kopf. »Das mag ja sein. Aber haben Sie sich mal umgeschaut, wie viele Kinder hier jeden Tag ein und aus gehen? Andererseits«, murmelte die Kellnerin auf einmal nachdenklich, während sie wieder auf das Foto blickte. »Jetzt, wo Sie’s sagen. Die blonden Korkenzieherlocken, die hellen Augen … Wenn ich mich recht erinnere, war immer so ein großer Dunkelhaariger mit ihr hier und so ’ne Rothaarige.« Sie blickte Fiona mit einem Mal skeptisch an. »Wieso? Sind Sie von der Polizei oder so?«
    »Weshalb sollte ich von der Polizei sein?«
    Die junge Frau antwortete nicht und sah sich stattdessen beunruhigt nach ihren

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