Die Spur der Schuld - Private L.A.: Thriller (German Edition)
knackte das Schloss wie ein Profi. Das war wahrscheinlich illegal, andererseits aber Kinderkram, nachdem sie bereits eine Autoscheibe eingeschlagen hatte.
Crockers Schreibtischschublade war eine einzige Enttäuschung. Sechs Krügerrand-Münzen in einer leeren Büroklammerschachtel. Ein Tütchen mit Marihuana und Blättchen. Der Rest waren Büroutensilien. Kein einziges Foto. Justine schob die Schublade wieder zu, ging zur Kommode und zog auch hier alle Schubladen auf.
Sie suchte nach Beweisen für abscheuliche Verbrechen oder irgendwelche Erinnerungsstücke daran– Zeitungsausschnitte oder ein Notizbuch mit handschriftlichen Eintragungen oder Souvenirs. Egal was.
Crocker hatte Andenken an seine Opfer mitgenommen, aber anders als viele Trophäensammler hatte er sie irgendwo versteckt und anschließend dem Bürgermeister mit höhnischen E-Mails eine Nase gedreht. Darin hatte er verraten, wo die blitzblank geputzten Beweisstücke lagen, die nichts bewiesen.
Mit Sicherheit hatte Crocker, stolz, wie er angesichts seines Erfolgs war, irgendetwas aufgehoben. Oder war er tatsächlich so schlau?
Als Nora ins Schlafzimmer kam, drehten sie gemeinsam die Matratze um. Die Federn darunter waren einwandfrei, in den Stoff war kein Loch geschnitten worden.
»Ich habe noch nie einen so ordentlichen Typen gesehen«, sagte Nora.
Justine ging zum Schrank und schaltete das Licht an einer Kette ein.
Crocker besaß sechs dunkle Anzüge, sechs Sportjacken und mehrere blaue Hemden, die alle auf Bügeln hingen. Die Schuhe standen sauber aufgereiht unter den Kleidern. Sie griff in die Jackentaschen und Schuhe. Und je länger sie suchte, desto größer wurde ihr Gefühl der Niederlage.
Hatte Christine mit Crocker falschgelegen? War das möglich? Hatte Justine das Mädchen dazu verleitet, eine falsche Erinnerung aufzubauen?
Doch als Justine nach oben griff, um das Licht wieder auszuschalten, machte es bei ihr klick.
Crocker, dieser Wahnsinnige. Er hatte nicht erwartet, dass jemand danach suchen würde. Warum auch? Die Sache lag fünf Jahre zurück.
Justine rief Nora, die fast im gleichen Augenblick neben ihr stand.
Justines Herz vollführte einen Freudentanz, das Blut pulsierte so heftig in ihren Ohren, dass sie kaum ihre eigene Stimme hören konnte. »Nora. Sagen Sie mir, dass ich mir das nicht einbilde. Sagen Sie mir, dass ich das nicht erfinde.«
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Justine lehnte an der Wand der »Zelle« und beobachtete Nora, die darin geübt war, Verhöre durchzuführen, ohne sich ihre Gefühle anmerken zu lassen.
Auf der anderen Seite des Tisches saß Rudolph Crocker. Sein Gesicht war an mehreren Stellen genäht, ansonsten sah er fast glücklich aus, als bereitete es ihm mächtigen Spaß, im Mittelpunkt zu stehen.
Als er zu Justine blickte, grinste er, als wollte er sagen: »Steckst ganz schön in Schwierigkeiten, Mädel. Schau mal, wer mich hier vertritt: Beri Hunt, die Strafverteidigerin der Promis.«
Beri Hunt sah genauso aus wie im Fernsehen: Anfang vierzig, dunkles, kurzes Haar und porzellanweiße Haut. Sie trug ein Kostüm aus feiner, grauer Sommerwolle, dazu eine Kette aus grauen Südseeperlen.
Hunt hatte Nora und ihren Vorgesetzten gegenüber bereits eingeräumt, dass sie mit der einen Sache– Crockers Verhaftung wegen seiner Behinderung der Polizeiarbeit– vorerst Erfolg haben würden. Doch nach seiner Anklage wegen dieses kleinen Vergehens würde er durch Hinterlegung einer Kaution gleich wieder auf freiem Fuß sein. Gleichzeitig würde sie einen Prozess anstreben, bei dem jeder, der mit der Verhaftung zu tun hatte, zur Rechenschaft gezogen werden würde. Sie hatte ihren Plan mit einem netten Lächeln kundgetan.
»Mr. Crocker«, begann Nora, »ich entschuldige mich für die Verletzungen, die Sie erlitten haben, aber Sie verstehen, dass wir dachten, bei Ihnen läge eine Waffe auf dem Vordersitz.«
»Mag sein. Aber ich hatte keine Waffe, und wir werden Sie wegen gesetzwidrigen Angriffs auf meine Person verklagen, stimmt’s, Beri? Wir werden Millionen an Schmerzensgeld verlangen.«
»Rudy, lassen Sie die Dame von der Polizei sprechen. Wir hören nur, was sie zu sagen hat.«
»Rude«, korrigierte Crocker sie. »Mein Spitzname.«
»Sie verstehen sicher auch, Mr. Crocker«, fuhr Nora fort, als hätte Rude nichts gesagt, »dass wir die Innenausstattung Ihres Vans recht beunruhigend fanden, sobald wir einen Blick darauf werfen konnten.«
»Nichts in dem Van ist zulässiges Beweismaterial«, wandte die Anwältin ein. »Mein
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