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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
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keinen Zwischenstopp gemacht, nicht wenn sie hungrig, müde und sonnenverbrannt war. Sie würde an Essen, eine Dusche und den geplanten Abend denken. Doch Nadine gehörte zu den Frauen, die alle Möglichkeiten ausschöpfen mussten, bevor sie es sich erlaubten, das Undenkbare zu denken.
    Er begann bereits das Undenkbare zu denken, eine berufliche Angewohnheit, Konsequenz zu vieler Jahre bei verschiedenen Polizeibehörden, und vor allem der Fälle, an denen er gearbeitet hatte, seit er zum zweiten Mal zum FBI gegangen und nach Tango gezogen war – verschwundene Kinder. Ein Kind kommt von der Schule nicht nach Hause, und die Eltern werden verrückt vor Sorgen. So fing es normalerweise an. Neun- von zehnmal hatte das Kind einen Freund besucht oder war noch in der Schule geblieben oder in die Eisdiele gegangen. Neun- von zehnmal gab es eine vernünftige Erklärung.
    Und diesmal sind es eine Mutter und ein Kind, und es gibt vermutlich auch eine vernünftige Erklärung, die ich einfach bloß nicht sehe.
    Sie ist noch einkaufen gegangen.
    Sie hätte angerufen.
    Sie hatte ein Problem mit dem Wagen.
    Sie hätte angerufen.
    Sie hat Schwierigkeiten, das kleine Boot auf dem Dachgepäckträger des Vans zu befestigen.
    Sie hätte angerufen.
    Es sei denn, ihr Handy wäre leer.
    Sie hat immer einen Extraakku dabei.
    »Hör auf damit«, murmelte er und ging hinüber zum Panoramafenster.
    Tagsüber hatte man von hier aus einen sensationellen Blick auf den Golf und den Strand. Im Augenblick verdunkelte sich das Glas, und sein eigenes Spiegelbild starrte ihn an. Ein ganz normales Gesicht, fand er. Ein Bart, in dem sich graue Strähnen zeigten. Er hatte noch recht volles Haar, aber es begann an den Schläfen zu ergrauen. Nette Augen, tolle Zähne. Das war’s eigentlich. Egal, wie sehr er sich bemühte, es war ihm nie gelungen, in seinem Gesicht auch nur eine Spur des Engländers zu sehen, der er vor mehreren Jahrhunderten gewesen war, wie Mira behauptete. In jenem Leben, sagte sie, hatte er sie verlassen.
    Obwohl er von den Britischen Inseln fasziniert war und auf seiner Reise vor über zwei Jahren sechs Wochen alleine in Schottland verbracht hatte, hieß das noch lange nicht, dass er in jenem Land gelebt hatte. Obwohl ihm die Straßen Edinburghs genauso bekannt vorgekommen waren wie jetzt die Straßen auf Tango Key, sprach auch das nicht zwingend für ein früheres Leben in jener Stadt. Er wollte daran glauben, weil Miras Glaube an diese Dinge so stark, so mächtig, war. Trotzdem bewahrte er sich stets eine gewisse Skepsis.
    Er beugte sich dichter ans Fenster und hob seine Hände seitlich neben sein Gesicht, um hinausschauen zu können. Das Haus, ein altes Dreizimmerhäuschen aus den frühen Sechzigern, stand an einem fantastischen Platz etwa dreihundert Meter vom Wasser entfernt. Es war zwangsversteigert worden, und als Mira und Nadine es vor zweieinhalb Jahren gekauft hatten, verlassen und verwahrlost. Sechs Monate lang hatten sie das Wohnzimmer vergrößert, die Küche erneuert, die hintere Veranda umgebaut, ein zweites Bad eingebaut und Fliesen gelegt. Nadine hatte sich um den hinteren Garten gekümmert und ein hübsches kleines Biotop erschaffen, das genauso einladend wirkte wie der Rest des Hauses. Insgesamt, vermutete Sheppard, waren Haus und Grundstück jetzt vier- oder fünfmal so viel wert, wie sie dafür bezahlt hatten.
    Sein eigenes Haus, Luftlinie vier Kilometer südöstlich, war deutlich kleiner und hatte auch keinen Ausblick wie Miras. Es war völlig in Ordnung für ihn und seine Katze, doch er würde es sofort hergeben, wenn Mira ihn heiraten würde. Obwohl sie es abstritt, wusste Sheppard, dass er mit dem Geist ihres toten Mannes im Wettbewerb stand und dass er auf irgendeine Weise nicht ganz mithalten konnte.
    Vor zehn Jahren, an Annies drittem Geburtstag, war Tom Morales zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, in einem kleinen Supermarkt auf dem Festland, der von einem maskierten Verbrecher überfallen wurde. Der Täter entkam. Fünf Jahre später hatte ein Mordfall Mira und Sheppard zusammengeführt, und die Ermittlungen endeten bei einem Mann namens Hal Bennet, der nicht nur verantwortlich war für das Verbrechen, das Sheppard untersuchte, sondern auch für den Tod von Miras Mann.
    Der Medienrummel um den Fall, bei dem es sich unter anderem um ein parawissenschaftliches Regierungsexperiment drehte, bei dem Bennet eine wichtige Rolle gespielt hatte, hatte Mira und ihre Familie aus Lauderdale vertrieben und

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