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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
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enge Verbindung zwischen den beiden. Entscheidend für die Nähe zwischen ihnen war auch, was Nadine als ihre »genetische Disposition, Informationen auf unübliche Weise wahrzunehmen« bezeichnete, ein geschwollener Ausdruck für ihre übersinnlichen Fähigkeiten.
    Auf der kurzen Fahrt zu der Bucht, in der die Wasserflugzeuge standen, strich Nadine die Karte auf ihren Oberschenkeln glatt und rieb die Hände schnell aneinander. Dann bewegte sie ihre linke Hand, die Finger leicht gespreizt, langsam im Uhrzeigersinn über die Karte. Sheppard wusste, dass sie nach einer Spur suchte, nach einem psychischen Hauch ihrer Enkelin und Urenkelin. Sheppard hatte eine ungefähre Vorstellung, wie es funktionierte. Die meisten Polizisten, die schon seit einiger Zeit dabei waren, hatten manchmal Vorahnungen. Aber was Nadine tat, was Mira tat, was er selbst Annie schon mal hatte tun sehen, ging weit über Vorahnungen hinaus. Es gehörte in den Bereich des Übernatürlichen und Merkwürdigen, des endgültig Unbegreiflichen.
    »Ich verliere sie«, sagte sie leise. »In einem Augenblick sind ihre Spuren noch da, im nächsten nichts.«
    Wie sie es sagte, machte ihm viel mehr Angst, als was sie sagte. Er hörte das Erstaunen in ihrer Stimme, die Verwirrung. »Was meinst du damit genau?«
    »Ich meine, dass es zwar Spuren gibt, die beide vom selben Ort wegführen. Ich verliere sie in etwa derselben Gegend.«
    Sheppard reichte ihr einen Kugelschreiber. »Umkreise die Gegend, Nadine.«
    »Da ist noch etwas, Shep. Ich spüre die Anwesenheit einer dritten Person. Ein Mann. Sein Kraftfeld gefällt mir gar nicht. Ich spüre …« Sie unterbrach sich und faltete eilig die Karte. »Ich weiß auch nicht. Ich weiß nicht, was zum Teufel ich fühle.«
    Das gefiel ihm gar nicht.
    Tango Key war berühmt für eine durchaus widersprüchliche Gesetzgebung. In einigen Bereichen war die Insel unberührt, eine Wildnis ohne Regeln und Vorschriften. In anderen Bereichen waren die Regeln und Vorschriften so zahlreich, dass ganze Abteilungen der Inselbürokratie damit beschäftigt waren, sie zu transkribieren und zu interpretieren. Tango Sea and Air fiel in letzteren Bereich.
    Der Flughafen war fünf Jahre durch die Mühlen der Behörden gedreht worden, bevor er schließlich vor acht Monaten eröffnete. Das war vor allem einem reichen ortsansässigen Bauherrn zu verdanken, Ross Blake. Er hatte der Insel wahnsinnige Gebühren dafür bezahlt, den Ankerbereich anlegen zu dürfen, und sich vor Gericht gegen die Willkür der Bürokraten zur Wehr gesetzt. Die Insel hatte strenge Vorgaben erlassen, die alles regelten, von der Frage, wie viele Wasserflugzeuge hier liegen durften, über die Flugrichtungen von und zur Insel, bis zu den Betriebsstunden. Selbst die Bauform und die Farbe des Hafenbüros sowie die Arten der Anleger waren festgelegt worden. Das Büro war blau und weiß, mit erstklassigen sturmsicheren Fensterläden und bruchsicheren Fenstern ausgestattet. Drei Piere ragten parallel zum Ufer von einem Pier ins Wasser hinaus, und jeder von ihnen ruhte auf Betonpfeilern mit sechzig Zentimetern Durchmesser.
    Sie trafen sich mit Goot auf dem äußersten Pier. Goot tigerte ruhelos auf und ab, ein Handy ans Ohr gedrückt. Als er sie sah, winkte er, beendete seinen Anruf und eilte auf sie zu. »Nadine, un placer «, sagte er, und sie küssten sich nach kubanischer Art auf beide Wangen. »Shep hat gar nicht gesagt, dass du uns helfen würdest.«
    Nadine lächelte. »Er wusste es nicht, bis ich darauf bestanden habe. Euer Pilot muss mit Little Horse beginnen und dann nach Süden fliegen, dicht über dem Wasser. Fünfzehn bis zwanzig Meter über der Oberfläche.«
    Goot fragte nicht, woher sie das wusste. Seine Familie entstammte dem, was Sheppard als die kubanischen Esoteriker ansah, die Santeros, die glaubten, dass der Kosmos aus einer Hierarchie der Heiligen oder Santos bestand, die halfen, das Leben auf dem Planeten zu inszenieren, indem sie sich einmischten und direkt mit Menschen Kontakt aufnahmen. Das erschien ihm nicht allzu weit hergeholt – jedenfalls nicht theoretisch. Aber seit Nadine ihm und Sheppard geholfen hatte, eine junge Frau ausfindig zu machen, die in Miami verschwunden war – Gedächtnisverlust – war Goot absolut von Nadines Fähigkeiten überzeugt. All dieser esoterische Quatsch war plötzlich sehr handfest geworden.
    »Warum sollten sie nach Süden fahren?«, fragte Goot.
    Nadine schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass

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