Die Spur der Woelfin
Bestätigung braucht, jemanden her,
dem es noch schlechter geht als ihm? Er braucht jemanden, der eine Wohnung
besitzt -ein Dach über dem Kopf, zumindest eine Bleibe, da er sich selbst keine
leisten kann. Er braucht jemanden, der frustriert genug ist, um noch zu Dave
aufsehen zu können. Jemanden, den er schon allein mit seinen Fähigkeiten
beeindrucken kann.«
Vince fluchte, als er begriff, worauf sie hinauswollte. Und auch die
anderen stöhnten, als sie verstanden.
»Metropolitan Area.«
Und Laura nickte. »Anderthalb Millionen Menschen — viel Spaß.«
Auch wenn es Patrick am nächsten Tag bereits bedeutend besser ging als
noch den Tag zuvor, hatte Vince darauf bestanden, dass dieser nicht an der
Suche teilnehmen sollte. Lauras Überlegung war gut, wenn sie also wirklich
einen von ihnen aufscheuchen könnten, wäre das Risiko, dass Patrick dabei etwas
zustieße, zu groß. Niemand von ihnen wollte es verantworten, dass sie ihren
Anführer verloren, und schließlich gab selbst Patrick nach. Er war auf dem Weg
der Besserung, in spätestens drei Tagen wäre fast alles verheilt, bis dahin
würde er sich noch gedulden müssen.
Aber auch mit den anderen wollte Vince kein Risiko eingehen. Es war
verabredet worden, dass, sollte jemand auch nur irgendetwas wahrnehmen, er
zuerst die anderen rufen würde, ehe man zuschlug. Er beließ es bei den vier
Gruppen, setzte aber pro Block jeweils zwei ein, die systematisch von jeweils
oben nach unten und unten nach oben durcharbeiten sollten.
Sie nahmen sich zuerst die baufälligsten der Blocks vor. Metropolitan
Area war ein riesiger Bereich, aber wenn Laura mit ihrer Einschätzung Recht
hatte, dann würden sie ihren Mann in einem der schäbigeren finden. Aber auch
wenn sie an diesem Ende anfingen, könnte es noch eine Ewigkeit dauern, ehe sie
auch nur eine Spur fänden.
Mit Robert, Steve und Kenneth im Gefolge zog Vince die Tür zum zweiten
Block, der auf seiner Liste stand, auf. Robert und er würden von unten
anfangen, und wortlos
marschierten Steve und Kenneth weiter Richtung Fahrstühle, während Vince
aufs Treppenhaus zuhielt.
Der Geruch, der ihm im ersten Hausflur entgegenschlug, widerte Vince an.
Er hasste diese Gegend, hatte selbst viel zu lange an einem ähnlichen Ort
gelebt, und die alte Wut kam in ihm auf, während er auf seiner Seite die Türen
abschritt, auf die Geräusche dahinter lauschte und versuchte, die Gerüche zu
filtern. Nur unwesentlich von billigen Reinigungsmitteln überdeckt, schlug ihm
der Geruch von Abfall, Dreck und Schweiß entgegen. Der Geruch der Verzweiflung,
und kurz schloss er die Augen, als er, gefolgt vom wütenden Brüllen eines
Mannes, ein Kind schreien hörte. Dieses Haus war ein Ballungszentrum für das
soziale Elend einer Stadt, das es überall gab, von dem aber niemand etwas
wissen wollte. Nicht mal die Bewohner untereinander machten sich die Mühe, die anderen
kennen zu lernen. Jeder war mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, Alkohol,
Drogen, Misshandlung ...
Als auch dieser Flur kein Ergebnis zeigte, stiegen sie in den
nächsthöheren auf, und Vince bekam das Gefühl, mit jeder Etage, die sie sich
vorarbeiteten, ein Stück mehr soziale Verwahrlosung zu Gesicht zu bekommen.
Solche Dinge wurden in den glorreichen Stadtführern nicht erwähnt. Man
verschwieg sie, und während in den Gremien von Bonzen das fehlende soziale
Engagement beklagt wurde, machten doch alle brav die Augen zu, wenn es einem
aus den Wohnungen entgegenkroch.
Als Robert in der vierten Etage scharf die Luft einsog, blieb Vince
stehen und sah ihn scharf an. Doch Robert lächelte nur etwas gequält, hob die
Schultern und murmelte »tot«, ehe er zur nächsten Tür weiterzog. Angewidert
warf Vince einen Blick auf die geschlossene Tür, ehe auch er sich wieder seiner
Aufgabe zuwandte. Es gab Gründe, aus denen er mit Menschen nichts zu tun haben
wollte. Dieser war einer davon.
In Etage sieben hatten sie mehr Glück. Sie rochen es schon, noch bevor
sie sich der Tür auch nur genähert hatten. Vermischt mit den Ausdünstungen
mehrerer Alkoholiker, gebrauchten Windeln und der künstlichen Zitrusfri-sche
eines Desinfektionsmittels, nahmen sie den Geruch zweier Wölfe wahr. Der eine
war nur schwach, aber sowohl Vince als auch Robert erkannten ihn sofort und
zogen sich hastig wieder zurück. Dave war hier gewesen, und auch wenn er im
Moment nicht da zu sein schien -sein Handlanger war es.
So schnell und so leise, wie es ihnen möglich war, zogen sie sich in
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