Die Spur der Woelfin
Kiefer. Vince schmeckte Blut, und im ersten Moment
musste er es hinnehmen, dass der Kerl noch weitere Treffer landete, ehe er ihn
an den Schultern zu fassen bekam.
Mit einem wütenden Knurren stieß er den Mann von sich, der in hohem
Bogen gegen die Wand segelte. Er hörte das Stöhnen des Mannes und sah, wie er
langsam zu Boden glitt und dort liegen blieb.
»Feigling. Zieht sich einfach aus der Affäre«, murmelte Vince, kam auf
die Beine und wischte sich das Blut von der aufgeplatzten Lippe. Noch immer
standen die anderen in dem schmalen Flur, und er konnte zumindest Steve
verstohlen grinsen sehen.
»Geh dir mal das Gesicht waschen. Bis dahin bekommen wir den Typen auch
reisefertig«, meinte Kenneth amüsiert und schob sich an den anderen vorbei zu
dem Mann am Boden. Mit einem unsanften Tritt in die Seite holte er ihn wieder
zurück in die Gegenwart und zog ihn am Arm zu sich hoch.
»Auf geht's. Zieh dir was an.« Kenneth schnalzte missbilligend mit der
Zunge, versetzte ihm mit dem Ellenbogen einen Schlag in den Nacken und grinste,
als dieser erneut zu Boden ging.
»Hat eigentlich irgendjemand eine Ahnung, wie das kleine Drecksschwein
heißt?« Angewidert rümpfte er die Nase. »Stinkt wie das Bayou zur Regenzeit«,
erklärte er pikiert.
»Jason Daws«, rief Robert, der vor der Tür stehen geblieben war und als
Einziger sich die Mühe gemacht hatte, auf das Türschild zu schauen.
Kenneth nickte und zog den Mann an den Haaren zu sich hoch, der ein
heiseres Stöhnen ausstieß, aber keine Anstalten machte, sich zur Wehr zu
setzen. »So, Jason. Zweiter Versuch. Sind wir diesmal kooperativ?« Und als er
ihn unsanft auf die Beine zerrte und Richtung Schlafzimmer stieß, stolperte dieser
brav vorwärts und war schon kurz darauf mit Kenneth in dem noch kleineren
Zimmer verschwunden.
Als sie keine zehn Minuten später das Gebäude durch die große
Eingangstür wieder verließen, taten Vince noch immer die Knöchel seiner rechten
Hand weh, die er sich an
Daws' Jochbein aufgeschlagen hatte. Und noch immer war er verärgert über
die verdammte Waffe, die der Mann hatte ziehen wollen. Hatte diesem Idioten
denn keiner beigebracht, dass man so etwas nicht tat?
Jeder Werwolf, der auch nur ein bisschen Stolz im Leib hatte, benutzte
keine Hilfsmittel. Kämpfe wurden auf die älteste Art der Welt ausgetragen: mit
Fäusten — mano a mano. Alle hielten sich an dieses ungeschriebene Gesetz.
Selbst die Außenseiter machten da keine Ausnahme. Eine Waffe zu verwenden,
hieße, seine eigene Unterlegenheit einzugestehen -und diese Blöße wollte sich
keiner geben.
Daws sah nicht mehr wirklich gut aus. Was immer Ken-neth mit ihm auch
angestellt hatte, es war seiner physischen Unversehrtheit nicht wirklich
zuträglich gewesen. Er zog das eine Bein nach, und sein linkes Auge war bereits
jetzt schon zu einem kleinen Schütz zugeschwollen. Na ja, zumindest machte er
so keine Probleme mehr. Vince konnte die Angst des Frischlings förmlich
riechen, als er diesen vor sich hertrieb und schließlich mit einem unsanften
Stoß in die geöffnete Tür des Vans beförderte.
»Ich fahr vor.« Vince nickte kurz zu Kenneth, der sich daraufhin auf den
Weg zu der Limousine machte, mit der er auch schon hergekommen war. Er machte
sich nicht die Mühe, auf die anderen zu warten, und schon kurze Zeit später sah
Vince die Bremslichter, ehe er vom Parkplatz der großen Anlage fuhr. Er würde
vorfahren und alles für die Ankunft des Frischlings vorbereiten.
Von Anfang an war
Kenneth derjenige gewesen, der Laura am meisten eingeschüchtert hatte. Es war
nicht, dass er in irgendeiner Art und Weise unfreundlich gewesen wäre, ganz im
Gegenteil sogar. Kenneth war ein stiller Typ, gab nie ein lautes Wort von sich
oder war — im Gegensatz zu Vince — unhöflich. Dennoch bekam sie in seiner Nähe
immer ein mulmiges Gefühl. Stille Wasser sind tief, hieß es, und es war
vermutlich genau das, was sie in seiner Gegenwart nervös werden ließ. Und sie
wusste, dass sie damit nicht die Einzige war. Miles und Daniel machten
ebenfalls einen Bogen um ihn. Hinter der ruhigen Oberfläche verbarg sich etwas,
was niemand herauszufordern wagte.
Kenneth war der Mann fürs Grobe, wie Daniel es so schön beschrieben
hatte. Er besaß das Aussehen eines düsteren Engels, aber es mangelte ihm dabei
an schlichter Menschlichkeit. Wenn es aus seiner Sicht notwendig war, tötete er
und zuckte dabei nicht mal mit der Wimper. Es schien ihn nicht mal zu
interessieren, was mit
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