Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi
du doch wohl hinkriegen.«
Freizeichen.
»Arschloch.«
Sie fuhr an dem Ei vorbei, das für die Produkte eines Hofes warb. Die Gänse hinterm Maschendraht weideten Weihnachten entgegen.
2
Ich erwachte, weil etwas fehlte. Ein einzelner Tropfen fiel auf die Fensterbank, hoffentlich der letzte oder vorletzte vom endlosen Regen. Neben mir der Schlaf in leisen Zügen. Ich stand auf und tappte zum Fenster. Das Morgengrauen kroch übers Meer heran. Es musste gegen fünf sein. Ich zündete mir eine Zigarette an und hielt Ausschau nach dem Tag. Höchste Zeit abzuhauen. Ich schaute zu ihr hinüber. Sie drehte sich im Traum, und das Haar fiel ihr übers Gesicht.
Nach Hause. Heute. Endlich.
Dort stapelte sich die Arbeit, warteten Berge von Post und überquellende E-Mail-Fächer. Natürlich hatte ich die Mails gecheckt. Der Verlag hatte mir den Plot von »Castorus und Polluxus« mit der Bemerkung zurückgeschickt, dass er allenfalls brauchbar sei, wenn die Handlung vereinfacht würde, Wochen zuvor war die Handlung angeblich zu simpel gewesen. Ich hatte jede Menge Zeit in das Projekt gesteckt, um bei einem der größten Computerspieleverlage einen Fuß in die Tür zu kriegen. Sie hatten mir Hoffnungen gemacht und meine Arbeit jedes Mal mit neuen Wünschen zurückgegeben. Und dann sollte ich unbedingt einen Urlaub einschieben. Sie hatte darauf bestanden. Ich warf meine Kippe aus dem Fenster und ging pinkeln. Als ich zurück war, hatte der Tag eine Handvoll Grau an den Himmel geworfen. Irgendwo bellte ein Hund. Mich fröstelte.
Und einmal hier, hatte sie verlängert. Unsere Zimmer würden erst in drei Tagen wieder belegt. »Bitte! Das Wetter soll jetzt besser werden.« Wir müssen reden, war auf einmal kein Thema mehr. Wenigstens das. »Was ist mit deiner Arbeit?«, versuchte ich ein neues Argument. Das sei ihre Sache. Dann hatten die neuen Gäste abgesagt, ich verstand sie. »Nur einen Tag noch.« Es regnete weiter. Sie störte es nicht. Und ich wollte nicht allein zurückfahren, konnte nicht.
Die Zeit hätte ich besser nutzen können. Sie wollte auf keinen Fall meinen Laptop dabei haben, nicht einmal mein iPhone, also hatte ich beides unbemerkt in den Wagen geschmuggelt.
Wir müssen einen Weg finden, hatte sie gesagt, war auf den Balkon hinausgegangen und mit einer Schale voller Grünzeug wiedergekommen. Was für einen Weg, fragte ich. Sie hielt inne, legte das Küchenmesser beiseite, mit dem sie Kräuter und Knoblauch hackte, und sah mich lange an. Einen gemeinsamen, sagte sie, oder eben jeder den seinen, irgendeinen. Eine Spur Verzweiflung in der Stimme. Ich nickte. Das war im Juli.
Dann war ich an meinen Schreibtisch zurückgekehrt und hatte an dem aktuellen Auftrag gearbeitet, dessen Abgabetermin so knapp bemessen war, dass die Nächte zu kurz und die Kaffeekanne ständig leer waren. Plötzlich August, ein neuer Auftrag und die Buchungsbestätigung von einem Hotel auf dem Küchentisch. Den Ort kannte ich nicht. Ich kann nicht, sagte ich, während sie Zitronen und Salat in den Kühlschrank räumte. Du kannst nie, gab sie zurück und, lass uns trotzdem fahren. Wir müssen einen Weg finden. Sie sah mich nicht an, nur ihre Schultern verrieten ihre Entschlossenheit.
Ein paar Tage, mal schauen, räumte ich ein. Ein paar Tage konnte ich mir leisten, musste es wohl. Vielleicht hatte sie sogar Recht, wochenlang hatten wir uns kaum gesehen. Nachts, wenn sie aus dem Restaurant nach Hause gekommen war, hatte sie meinen Nacken im Vorübergehen geküsst und war im Bett verschwunden. Manchmal. Wenn sie überhaupt zurückkam. Ich hatte den Monitor gegen zwei oder drei ausgeschaltet und noch geschlafen, wenn sie fortgegangen war am Morgen.
Der Wetterbericht hatte nichts Gutes für unsere Urlaubswoche vorhergesagt: kalt und regnerisch. Er hatte sich nicht geirrt. Schon die Fahrt bei Dauerregen war zermürbend, zuletzt dümpelte ich hinter einem Trecker her, Alleen und Kurven und Überholverbot, und fühlte mich ausgelaugt, als wir ankamen. Die Wolken hingen tief überm Stettiner Haff, der Horizont lag im Dunst. Sie aber war aus dem Wagen gesprungen, hatte die Seeluft eingeatmet und ein Gesicht wie Sonnenschein gemacht.
Der Streifen Licht am Horizont wurde breiter. Ein Vogel sang. Ich fragte mich, was die Vögel dazu bewegte, zu so früher Stunde, fast Herbst, Lieder zu singen. Dann legte ich mich neben sie, hörte ihrem Atem zu und sah an die Decke. Heute war es vorbei.
3
Die Nachbarin hing schon wieder hinter der Gardine. Am
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