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Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Titel: Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Polizeiarzt. Der bestellte sie alle zwei Wochen zu sich, um ihr mitzuteilen, dass er sie immer noch für nicht diensttauglich hielt. So, wie sie heute aussah, würde er es kaum anders halten.
    Irgendetwas musste passieren. So konnte sie nicht wei­termachen. Nach dem letzten Mord hatte sie sich ein paar Monate durch die Arbeit geschleppt. Einbrüche in Einfamilienhäuser, zwei Unfälle mit Fahrerflucht, Fahrraddieb­stähle. Nur die Bilder wurde sie nicht los. Immer wieder diese Bilder, die sich hineingefressen hatten in ihr Gedächtnis und aufblitzten, wenn sie nicht achtgab.
    Schon in Düsseldorf, noch vor ihrer Versetzung, hatten sich die Kollegen lustig gemacht über ihre Empfindlichkeit, und Julia hatte gehofft, dass ihr der neue Arbeitsplatz zu Abstand verhelfen würde. In einem Städtchen wie Coesfeld würde es beschaulicher zugehen. Aber dann kam der Mord an Gottfried Freitag, wenig später hatte es ein Familien­drama auf einem Campingplatz gegeben, mit drei Toten. Da hörte sie auf zu schlafen. Der Dienststellenleiter äußerte zwar Verständnis, teilte sie aber dennoch für den Fall ein. Wir kriegen keine zusätzlichen Leute, sagte Stefan Fels. Andere Dienststellen waren bereits zusammengelegt oder ganz geschlossen worden.
    Der Arzt verschrieb ein Schlafmittel. Als das nicht half, schickte er sie zu einem Therapeuten. Einmal ging sie hin. Der Mann mit Halbglatze und Cordhose, er musste weit in den Sechzigern sein, ließ sich ihre Biographie erzählen, quittierte alles mit unzähligen »Hms« und schloss auf eine unerfüllte Sexualität. Julia kicherte.
    Die haben doch selbst alle einen an der Klatsche, hatte sie gedacht, und der Doktor hatte das Schlafmittel gewechselt. Ab da schlief sie. Nur erwachte sie jeden Morgen so zerschlagen und erschöpft, wie sie zu Bett gegangen war. Als sie das fünfte Mal in Folge zu spät zur Arbeit erschien, sah sogar Fels ein, dass es keinen Zweck hatte, und empfahl ihr zähneknirschend, sich erst einmal krankschreiben zu lassen. Das war jetzt gut drei Monate her.
    Sie wollte das Radio anstellen und fasste ins Leere. »Verflucht.« Ein Saab überholte sie und sprühte Feuchtigkeit durchs Fenster. Bis sie zu Hause ankäme, wäre sie klatsch­nass. Ihre Hände am Lenkrad zitterten. Der Spätsommer hatte nichts als Regen und Kälte mitgebracht und würde über­gangslos in einen feuchten Herbst münden. Julia sehnte sich nach ihrer Wohnung, einer Dusche und einem Kaffee.
    Als sie die A 43 verließ, sagte jemand »Bentrup, eins, Strich, eins«, und wiederholte das Ganze zweimal, bevor sie begriff. In der letzten Woche hatte sie sich eines von diesen Teilen geleistet, die einem sagten, wo die nächste Tanke war oder was die Leute auf Facebook quasselten, und war noch nicht ganz vertraut damit, dass sich die Telefongespräche auf diese Weise ankündigten.
    »Was gibt’s?«
    »Scher dich her. Es brennt.«
    Der spinnt. Oder war es wieder einer seiner für niemanden außer ihm selbst verständlichen Witze? Sven-Bentrup-Pferde­gesicht hatte sie in den letzten Monaten nur einmal getroffen, auf dem Markt. Blass hatte er gewirkt und gehetzt und war weitergehastet wie ein Flüchtiger. Nicht einmal sein gigantisches Grinsen hatte er hinbekommen. Aber vielleicht hatte er nur die Nacht zuvor an seinem geliebten Computer verbracht.
    »Guten Morgen, liebe Julia. Soviel Zeit muss sein. Was ist denn los?«
    »Conrad liegt im Koma.«
    »Was?«
    »Conrad liegt im Koma.«
    »Das habe ich verstanden.«
    »Warum fragst du dann?«
    Julia schwieg und hielt an der Ampel am Ende der Autobahnabfahrt.
    »Bist du noch dran?«
    »Ja. Sicher.« Gedanken schwirrten durch ihren Kopf, die Ampel sprang auf grün. »Was ist passiert?« Hinter ihr hupte es.
    »Irgendwer hat ihn niedergeschlagen. Erst soll gar nichts gewesen sein, hat deine Nachbarin gesagt. Ein paar Stunden später ist er umgefallen und nun liegt er auf der Intensivstation.«
    »Meine Nachbarin?«
    »Mann, komm erst mal her. Dann sag ich dir, worum es geht.«
    »Ich muss zum Arzt.« So etwas Blödes fiel ihr jetzt ein. Das und der Umstand, dass sie noch immer nicht ganz nüchtern war. Und der Wagen, der in die Werkstatt musste.
    »Komm, verdammt noch, mal einfach her«, brüllte Bentrup ins Telefon und legte auf.
    Hey, spinnst du, sagte Julia zum iPhone, das aber schwieg. Kurz darauf tönte es wieder »Bentrup, eins, Strich, eins«.
    »Was?«
    »Fels sagt, du sollst eine Vermisstensache übernehmen. Conrad kann ja jetzt gerade nicht. Das wirst

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