Die Spur des Boesen
gepasst. Vielleicht insgesamt sechzig Gräber. Das früheste, das sie fanden, stammte aus dem Jahre 1784. Ein Typ namens Wilhelm Van Dunk. Gestorben im Alter von siebenundfünfzig Jahren.
Sie achteten darauf, sich in respektvollem Abstand zu den Gedenktafeln zu halten, wichen hier und da aus, um nicht aus Versehen über die Toten zu stolpern. Natürlich konnte Rosen den Mund nicht halten. Seine endlosen Wortkaskaden hallten zwischen den Bäumen wieder wie Gewehrsalven.
Die Fahrt in die Berge war für Dr. Rosen wohl tatsächlich eine Reise in seine Vergangenheit, eine Art Epiphanie. Sie erweckte in ihm die Lust, weiter nach den Menschen zu forschen, die er die Ramapos nannte, und vor allem die Lust daran, herauszufinden, was aus dem früheren Objekt seiner Begierde — Justine de Vries — geworden war. Seine wiederentdeckte Begeisterung bewahrte ihn davor, die angespannten Gesichter seiner Begleiter wahrzunehmen, als sie zwischen den Toten umher schlurften. Corso und Dougherty waren dankbar für seine Blindheit.
Hätten sie ihre Suche am anderen Ende begonnen, hätten sie sofort gefunden, wonach sie suchten. So waren es schließlich die letzten Gräber, an denen sie vorbeikamen, und vielleicht war das auch gut so, denn es stockte ihnen der Atem,und jedes Härchen auf ihrer Haut stand ihnen zu Berge. Fünf Gräber... aufgereiht wie hübsche Mädchen.
Fünf identische Gedenktafeln, die, wie es schien, nach einer Rangordnung aufgereiht waren. Links die geschnitzten Buchstaben »Paul de Groot, Ehemann und Vater, 1924— 1968«. Dann »Jeannine de Groot, Ehefrau und Mutter, 1926— 1968«, »James de Groot, 1949-1968«, »Christopher de Groot, 1950—1968«. Und schließlich, ganz am Ende »Leslie Louise, 1951-1968«.
Die ersten vier Tafeln waren mutwillig beschädigt, die einzelnen Buchstaben und Ziffern der Inschrift mit schwarzer Farbe durchkreuzt worden, als hätte jemand eine Liste abgearbeitet. Dann waren die Namen und Daten noch einmal horizontal durchgestrichen worden, als ließe sich die Aussage damit noch verstärken. Die Gräber selbst waren mit Unkraut überwuchert. Außer das von Leslie Louise.
Ihre Gedenktafel war nicht zerstört. Der Bereich um ihre letzte Ruhestätte war eben, und es lag kein Geröll herum. Eine verrostete Gießkanne war in die Erde eingegraben worden, damit sie nicht umfiel. Darin stand ein dicker Strauß Weidenzweige, deren silberne Kätzchen sanft in der Abendbrise zitterten.
»Da muss aber jemand ziemlich wütend sein«, unterbrach Dougherty die lähmende Stille. Niemand widersprach. Schließlich hustete Corso in seine Hand. »Sie waren beide de Groots.« Er zeigte auf die Gedenktafel. »Stimmt doch, oder? Hat nicht Rodney de Groot gesagt, Jeannine sei seine Cousine gewesen?« Dougherty nickte. »Paul war auch ein de Groot.«
Rosen fand seine Stimme wieder. »Vielleicht waren sie auch Cousins«, meinte er. »Es war ziemlich üblich...«
Dougherty ging an Rosen vorbei und schritt an den Ge-denktafeln entlang. »Wie alt könnte Ihrer Meinung nach dieser Tommie de Groot auf Rodneys Veranda sein?«
»Für diesen Genpool brauchte man bestimmt einen Rettungsschwimmer«, frotzelte Corso.
»Dreißig, fünfunddreißig«, antwortete Rosen. Corso nickte zustimmend.
»Da ist aber eine große Lücke zwischen den beiden letzten Kindern«, stellte Dougherty fest.
»Mama war fast vierzig, als er geboren wurde«, bestätigte Corso.
»Bei Müttern in dem Alter gibt's häufig Geburtsfehler«, wusste Rosen. »Vielleicht erklärt das ...«
Ein Geräusch aus dem Wald brachte das Gespräch zum Verstummen. Die drei zogen die Köpfe ein und erstarrten. Sie hörten auf zu atmen und lauschten in das sie umgebende Dickicht hinein. Spähten in die ineinander verschlungenen Äste, ob sich dort etwas bewegte. Wieder knackte es. Diesmal weiter weg. Und noch einmal.
»Verschwinden wir von hier«, schlug Corso vor, nahm Dougherty am Ellbogen und schob sie zum Weg. Schweigend huschten sie am Zaun entlang. Erst als ihr Wagen in Sicht kam, atmeten sie wieder aus. Und sobald sie drin saßen, wurde ihnen schwindlig. Machten sich lustig über ihre Fantasie, während Corso rückwärts auf die Straße fuhr. Der Spaß fand ein abruptes Ende, als sie den rotschwarzen Studebaker Pick-up sahen, der die Straße blockierte. Schweigen.
»Oh. Ah...«, machte Rosen.
Als Tommie de Groot ausstieg und sein Gewehr in beide Hände nahm, sprang Corso hinter dem Lenkrad vor und krabbelte nach hinten zum Gepäck. Quer über
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