Die Spur des Boesen
unserer eigenen in Frage stellen — und Sie verarschen uns hier mit einem gewissen Abdul Garcia. Unsere Techniker würden Sie gerne mal mit in den Keller nehmen. Mittelalterliche Methoden ausprobieren. Vielleicht mal schauen, was sie aus Ihnen rausbekommen, wenn Ihre Füße in einem Eimer kaltem Wasser stecken und Ihre Genitalien mit einem Feldtelefon verdrahtet sind. Ich denke, Sie wissen, was ich meine.«
Molina griff zu einem Bild, um es aufzuklappen. »Nicht«, wehrte Corso ab. »Ich habe sie gesehen.«
»Das sind Bilder, die man nicht so schnell vergisst, nicht wahr?«
»Ich verlange eine Gegenleistung«, sagte Corso.
»Sie sind nicht in der Position, um...«
»Eine Gegenleistung, und ich erzähle Ihnen alles, was ich weiß.«
»Zum Beispiel?«
»Ich will wissen, was im Frühjahr 1968 in Smithville, New York passiert ist. Dabei geht es um Menschen, die in den Knast gewandert sind oder die Gegend überstürzt verlassen haben. Es geht um Berichte von Schulen und Kindern, was heißt, dass eine Menge geheim sein wird, aber ich will die Infos trotzdem.« Er rasselte mit seiner Hüftkette. »Ich will
diese verdammten Fesseln loswerden, und ich will meine eigenen Klamotten zurückhaben. Danach können wir uns vielleicht unterhalten.«
»Und dafür geben Sie mir was?«, wollte Molina wissen.
Corso dachte nach. »Ich glaube nicht, dass man es irgendwie benennen kann.«
»Versuchen Sie 's.«
»Serienmörder bringen Menschen um, die sie nicht kennen, oder?«
»Normalerweise fangen sie in ihrer näheren Umgebung an, aber sobald sie in Fahrt sind, kommt ein Fremder nach dem anderen dran. Warum?«
»Weil ich glaube, dass wir es hier mit einer ganz neuen Kategorie von Mörder zu tun haben.«
22
»Was soll ich dem Richter denn sagen?«, fragte Molina. »Dass irgendein berühmter Autor so eine Ahnung verspürt, ein Mädchen, das angeblich oben in den Bergen begraben liegt, könne in Wirklichkeit seit dreißig Jahren herumreisen und Menschen umbringen? Dass sie als Frau womöglich ihren Mann und ihre Kinder umgebracht hat? Du meine Güte — und sogar vor Nonnen nicht Halt macht? Und das von einem Typen, der bei der NewYork Times rausgeflogen ist, weil er sich eine Geschichte ausgedacht hat. Der zur Zeit in Texas unter Anklage steht, weil er behauptet hat, Informationen zu haben, die er gar nicht hatte. Der unter seiner Jacke die Muskeln eines Gewalt-Verbrechers trägt. Kommen Sie, helfen Sie mir da raus, Corso. Wenn wir uns schon unser eigenes Grab schaufeln wollen, werden wir uns noch ein bisschen mehr anstrengen müssen.«
Corso ließ seine Hand über die vielen Ordner und Akten schnellen, die den Tisch vor ihm bedeckten. »Das steht alles da drin«, beharrte er. »Der Staat NewYork hat von den Einwohnern Smithvilles verlangt, ihre Kinder ab März '68 auf eine öffentliche Schule zu schicken. Acht Jungs, sechs Mädchen.«
»Zehn Sekunden nachdem die Mädchen aus Smithville mit dem öffentlichen Schulsystem in Berührung gekommen sind, fingen sie an, jedem, der es hören wollte, zu erzählen, sie seien zu Hause sexuell missbraucht worden. Wen wundert es danoch, dass die Eltern ihre Kinder nicht in die Schule schicken wollten. Sie wussten, was passieren würde.« Er schnappte sich einen roten Ordner, auf dem »Vertraulich« stand.
»Das sind hundertsiebzig Seiten« — er wedelte mit dem Ordner — »hundertsiebzig Seiten mit Gesprächen von Beratern und Sozialarbeitern mit fünf von den Mädchen aus Smithville. Vergewaltigung, Oralverkehr, Schläge.« Er ließ den Ordner auf den Tisch fallen. »Sie wurden von Haus zu Haus weitergereicht wie Handelsware. Ich habe mich noch nicht mal halb durch den Stapel gearbeitet, und es stehen Sachen da drin, bei denen sogar ein Bauarbeiter rot werden würde.« Er griff wieder zu dem roten Ordner. Blätterte, bis er fand, wonach er suchte.
»Hören Sie sich das an. Vom 4. April 1968. Ein Bericht über Leslie Louise de Groot. Angefertigt von der Abteilung für Kinder- und Jugendschutz des Rockland County auf Antrag von Hillbum, NewYork, Schulbezirk zweiunddreißig.« Er ließ die Seiten flattern. »Hier steht:
Auf Ihren Antrag hin, für die minderjährige Leslie Louise de Groot ein psychologisches Profil zu erstellen, habe ich mich am 27. März 1968 mit der jungen Frau drei Stunden lang in meiner Praxis unterhalten. Doch zunächst möchte ich auf die diagnostischen Schwierigkeiten verweisen, Schlussfolgerungen aus dem kurzen Kontakt mit der Patientin zu ziehen, für die
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