Die Spur des Boesen
werde ich innerhalb von achtundvierzig Stunden nach Süd-Dakota versetzt. Ich glaube nicht, dass das meiner Familie gefallen würde. Sie würde nicht mitkommen.« Er schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall, das würde sie nicht.«
»Dann fragen Sie sie, was diese Leslie Louise de Groot ihrer Meinung nach heute treibt.«
»Was meinen Sie mit >heute«
»Genau das, was ich sage. Sie war Mitte dreißig, als sie aus Avalon in Wisconsin weggegangen ist. Dann müsste sie heute, wenn sie noch lebt, Mitte vierzig sein. Hatte vielleicht Zeit, eine ganz neue Familie zu gründen. Wer weiß?«
Molina zog an seiner Unterlippe. »Was meinen Sie, wie das Wetter um diese Jahreszeit in Süd-Dakota ist?« »Kalt wie ein Grab«, antwortete Corso.
23
»Tut mir Leid, dass ich gestern schlapp gemacht habe«, entschuldigte sich Dougherty. »Ich konnte das Zeug einfach nicht mehr sehen.« Sie schwenkte die Cola-Flasche. »Nicht, dass es was genützt hätte. Hab' kaum geschlafen.«
»Ich auch nicht«, meinte Corso.
»Stehen wir immer noch unter Arrest?«
»Ich glaube nicht.«
»Was wird dir noch in Wisconsin angehängt?«
»Keine Ahnung.«
»Irgendwas darüber gehört, was sie gefunden haben?«
»Nö.«
»Auch nicht, ob sie überhaupt was gefunden haben?«
»Nee.«
Das Regionalbüro des FBI in Newark, New Jersey, nahm die gesamte sechste Etage des Ethan-Dombrowski-Hauses auf der EastThird Street ein. Sobald man die Rezeption hinter sich gebracht hatte und wenn man die drei Verhörzimmer am Ende des Flurs außer Acht ließ, sah es hier mehr oder weniger wie in einem normalen Firmenbüro aus. Links zwei Besprechungszimmer, ein großes und ein kleines, dann das Großraumbüro, in dem die Agenten morgens zum Appell antraten, gefolgt von den drei angrenzenden Verhörzimmern und dahinter wiederum die Toiletten.
Rechts die Einzelbüros. Special Agents teilen sich eins mit ihren Partnern und benutzen die Toiletten am Ende des
Flurs. Special Agents in Charge haben hübsche Büros mit Blick auf die Straße und eigene Toiletten.
Angelo Molina trat auf den Flur hinaus und bedeutete Corso und Dougherty mit einem Kopfnicken, ihm zu folgen, dann verschwand er wieder in seinem Büro, ließ aber die Tür offen.
Molinas Sekretärin saß mit versteinertem Gesicht und gefalteten Händen hinter ihrem Schreibtisch, als die beiden durchs Vorzimmer hindurch in Molinas Büro gingen. Das war mit allem Klimbim ausgestattet, den man sich nur vorstellen konnte. Farbige Flaggen mit goldenen Tressen. Großes Siegel an der Wand. Dunkelrote Clubsessel aus Leder, fünfzehn Zentimeter unterhalb seines Throns hinter dem großen Mahagonischreibtisch, so dass er von oben auf den Pöbel herabschauen konnte.
Molina machte ein Gesicht, als hätte jemand seinen Hund erschossen. Fuhr sich durchs Haar. »Schließen Sie die Tür.« Corso tat, wie ihm geheißen, und ging dann zum Schreibtisch hinüber.
»Die Ergebnisse sind immer noch lückenhaft«, begann Molina. »Die Leiche war schrecklich verbrannt, und nach mehr als dreißig Jahren in der Erde ist nicht mehr viel davon übrig geblieben.« Er deutete auf seinen Computerbildschirm. »Bis jetzt lässt sich sagen, dass die Überreste zu einem Mädchen zwischen dreizehn und achtzehn Jahren gehörten, das zum Todeszeitpunkt wahrscheinlich im vierten Monat schwanger war. Ihre Zähne waren noch intakt. Im Moment werden die Zahnarztberichte durchforstet.« Sein Blick wanderte auf dem Bildschirm nach unten. »Irgendwann in ihrem Leben war sie mal bei einem Arzt. Sie hat drei Edelstahlschrauben im Schienbein. Das könnte hilfreich sein oder nicht, weil wir bisher nicht in der Lage waren, von irgend-einem dieser Kinder einen Arzt- oder Zahnarztbericht aufzutreiben.« Er blickte zu Corso auf und breitete die Arme aus. »Das scheint mir das Ende der Reise zu sein. Wir müssen passen. Leslie Louise de Groot ist genau dort, wo sie sein soll.«
»Und jetzt?«, fragte Corso.
»Ich habe heute Morgen mit Sheriff Trask gesprochen. Hab' ihr erklärt, warum Sie auf keinen Fall der Mörder sind und dass wir Sie nicht länger festhalten können.« Irgendwas blitzte in seinen dunklen Augen auf. Vielleicht Vergnügen. Oder Missfallen. Das ließ sich nicht sagen.
»Was hat sie gesagt?«, erkundigte sich Corso.
»Sie war ziemlich baff. Ich habe den Eindruck, sie hätte ihren Kopf darauf verwettet, dass Sie der Mörder sind. Vielleicht hat sie auch die anderen Spuren nicht verfolgt, wie es eigentlich Vorschrift gewesen wäre.« Er
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