Die Spur des Boesen
es bisher noch keine psychologischen Aufzeichnungen zu geben scheint. Dies vorausgeschickt, erscheint Miss de Groot als durchschnittliches fünfzehnjähriges Mädchen. Größe 1,73, ca. 69 Kilo. Sie hat welliges, schwarzes Haar und blaue Augen. Sie behauptet zwar, eine »Ramapo- Indianerin« zu sein, doch da bisher keine medizinischen
Daten erhoben wurden, sehe ich mich nicht in der Lage, Vermutungen über ihren ethnischen oder rassischen Hintergrund zu äußern.
Absatz«, sagte Corso.
»Im Verlauf unseres Gesprächs beschrieb Miss de Groot das gleiche furchtbare Muster sexuellen Missbrauchs durch ihre Großfamilie, wie sie es auch Ihren Mitarbeitern gegenüber geschildert hat. Ich habe absolut keinen Zweifel bzgl. der Glaubwürdigkeit ihrer Berichte. Ebenso wenig lässt sich keinesfalls bezweifeln, dass ihre Erfahrungen einen schwächenden Einfluss auf ihre sich noch entwickelnde Psyche hatten. Miss de Groot ist extrem gestört. Ihre ungewöhnlichen Erfahrungen haben sie gezwungen, im Leben auf eine Weise zurechtzukommen, wie sie für andere Menschen, auf jeden Fall aber für Kinder, normalerweise nicht üblich ist. Sie hegt Mordfantasien bzgl. ihrer Vergewaltiger, kann sich aber, wie dies oft der Fall ist, nicht vorstellen, in einem anderen Milieu zu leben. Hier liegt das klassische Annäherungs-/Vermeidungssyndrom in seiner extremsten Form vor: ein Opfer, das unerbittlich und aller Wahrscheinlichkeit nach ständig an ihre Vergewaltiger gebunden ist. Um mit ihrer Situation zurechtzukommen, versucht Miss de Groot, alles in ihrer unmittelbaren Umgebung zu kontrollieren. Veränderliche Größen, die nicht unter Kontrolle gebracht werden können, werden als Bedrohung gesehen und entsprechend behandelt.
Ohne weitere Daten bin ich derzeit nicht in der Lage, auf oben angeführte Meinung weiter einzugehen.Und jetzt hören Sie sich das an«, kommentierte Corso.
»Das Spektrum an Möglichkeiten, die Leslie aufgrund ihrer Erfahrungen zur Verfügung stehen, umfasst Gewalt sich und anderen gegenüber, eine Reihe zwanghafter Verhaltensstörungen, extreme sexuelle Aggression (die in Leslies Fall sowohl gegenüber Männern als auch Frauen festgestellt werden kann) und, wie dies oft der Fall ist, eventuell auch klinische Depression und Schizophrenie.
Die Prognose für diese junge Frau ist nicht ermutigend.
»Unterzeichnet von Phoebe Hill, M. D., Ph. D. bla-bla.« Corso ließ das Blatt auf den Tisch fallen. »Das ist doch widerlich.«
Molina kniff die Augen zusammen. »Das ist auch dreißig Jahre alt.«
»Neun Erwachsene, die wegen Kindesmissbrauchs lange im Gefängnis gesessen haben. Der Rest der Kinder landete in Pflegeheimen. Dauerhaft. Eines Nachts ist jemand aufgetaucht und hat alles niedergebrannt, was von der Stadt noch übrig war. Was brauchen wir noch, verdammt nochmal?«
Molina stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab. Beugte sich zu Corso vor. »Was?«, fragte er. »Sie glauben, das lässt mich kalt? Ich habe zwei Töchter, Mann. Zwölf und fünfzehn. Was meinen Sie, wie ich mich zurückhalten muss, damit ich ihnen nicht hinterherlaufe, wenn sie das Haus verlassen! Jeden Tag sehe ich, was Menschen anderen antun, nur weil sie sich einen blasen lassen oder eine Flasche Wein oder weiß der Teufel was haben wollen. Und jedes Mal, wenn meine Kinder das Haus verlassen, sehe ich die Bilder, die sich seit zwanzig Jahren beim FBI in meinem Kopf angesammelt haben. Also halten Sie mir keinen Vortrag, als würden Sie sichauf dem Markt der Grausamkeiten auskennen. Sie sind nicht der einzige Mensch auf der Welt, dem bei so einer Sache die Galle überläuft.«
»Tut mir Leid«, entschuldigte sich Corso.
»Wir brauchen was mit aktuellem Bezug. Irgendwas, das uns einen gerechtfertigten Grund dafür liefert, die Totenruhe zu stören. Irgendwas, das eine Verbindung herstellt zwischen dieser Leslie Louise de Groot, dieser Mary Anne Moody und dieser...« Er blickte Corso fragend an.
»Sissy Marie Warwick«, half Corso nach.
»Eine andere Verbindung als nur Ihr Bauchgefühl, dass sie ein und dieselbe Person sein könnte. Ich brauche was Greifbares.«
»Zeigen Sie dem Richter die Zeichnungen«, schlug Corso vor.
Molina zuckte zusammen. »Richterin Edith Wells ist dreifache Großmutter. Sie und ihr Mann Grant verbringen jeden Sommer ein paar Monate oben in ihrem Versteck in den Poconos. Sie lieben die Rockland County Opera und das Ballett. Verstehen Sie, was ich damit sagen will? Wenn ich ihr diese Zeichnungen zeige,
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