Die Spur des Boesen
zu. Die Tränensäcke unter seinen Augen sagten, dass er Nachtaktionen wie diese kaum noch durchstand. Vielleicht musste er deshalb die Rolle des guten Polizisten spielen. Das kostete weniger Kraft.
»Keine Sorge, Gene«, sagte er. »Wenn Wisconsin ihn in dieses Superhochsicherheitsgefängnis in Boscobel verfrachtet, wird ihm jemand mit seinem verschissenen Schwanz dieses Grinsen schon wegpolieren.« Dean drückte sich aus seinem Stuhl. »Abgesehen davon hat uns seine Freundin schon alles gegeben, was wir brauchen. Sie hört gar nicht mehr auf zu reden.«
Als Corso laut auflachte, beugte sich Fullmer zu seinem Gesicht hinunter. »Sie finden das wohl lustig, was?«, schrie er. »Lustig, was?«
»Sie würde nicht mal auf Sie pissen, wenn Sie in Flammen stünden«, erwiderte Corso. »Also hören Sie einfach mit dem Scheiß auf und machen Sie, was Sie sonst auch machen. Was mich betrifft, ist die Party vorbei. Ihr geht mir langsam auf den Sack. Mein Anwalt wird mich in Wisconsin treffen. Bis dahin habe ich niemandem mehr was zu sagen.«
Fullmer hatte sich so weit nach unten gebeugt, dass Corso hörte, wie in seinem Kopfhörer gesprochen wurde. Fullmer richtete sich auf, lauschte der Stimme. Blickte mit gerunzelter Stirn auf das schwarze Rechteck, lauschte wieder. »Ge-
hen wir«, sagte er zu seinem Partner. Dean ging zur Tür, Fullmer machte einen Umweg über Corso und riss an der Kette an Corsos Handschellen, die an einer Öse im Boden verankert war. »Bleiben Sie ruhig hier, Mr. Corso«, höhnte er mit einem Grinsen. »Wir sind gleich wieder da.«
»Gleich wieder da« bedeutete zwanzig Minuten. Und es waren auch nicht Fullmer und Dean, die zurückkamen. Es war Special Agent in Charge Angelo Molina.
»Ihr zwei seid echt ein harter Brocken. Sie und Ihre Freundin Dougherty drüben.« Er ging zur anderen Seite des Tisches, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. »Aus Selbstmordattentätern quetsche ich mehr Informationen raus als aus Ihnen beiden.« Widerwillige Bewunderung lag auf seinem Gesicht. Corso kaufte es ihm nicht ab.
»Sie müssen den letzten Teil meiner Unterhaltung mit Fullmer und Dean verpasst haben«, meinte Corso. »Ohne meinen Anwalt möchte ich nichts mehr sagen. Da Mr. Fine auch Miss Dougherty vertritt, wird auch sie nichts mehr sagen.«
»Wissen Sie, Mr. Corso, dass jemand den Mund hält, bis sein Anwalt eintrifft, ist normalerweise eine gute Idee. In diesem Fall allerdings...«
Irgendetwas an Molinas Ton ließ Corso aufmerken. »Ich war ehrlich zu Ihnen«, sagte er. »Ich habe nicht den Mund gehalten. Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Ich habe den Polizisten nicht getötet. Die einzige Folge seiner Begegnung mit mir wären tierische Kopfschmerzen gewesen. Es ist genauso passiert, wie ich es Ihnen gesagt habe. Wenn Sie mir nicht glauben, habe ich nichts weiter zu sagen.«
Mit fast zeremonieller Bedächtigkeit zog Molina den grünen Metallstuhl unter dem Tisch vor und nahm mit dem Rücken zum Spanischen Spiegel Corso gegenüber Platz. »Nur
mal rein argumentativ...« Er wedelte mit seiner sauber manikürten Hand. »Nehmen wir mal für einen Moment an, ich würde Ihnen glauben.«
»Nur mal rein argumentativ«, wiederholte Corso.
»Hypothetisch.«
»Gut, dann glauben Sie mir also. Kann ich jetzt gehen?«
Molina lächelte. »Vielleicht. Aber da gibt's noch einen kleinen Haken.«
»Warum überrascht mich das jetzt?«
»Weil ich gehört habe, wie Sie gesagt haben, Sie wollten ohne Ihren Anwalt keine weiteren Fragen mehr beantworten ... was natürlich Ihr gesetzlich verbrieftes Recht ist... genau die Art von Recht, für dessen Verteidigung das FBI zuständig ist.«
Corso zuckte zusammen. »Gönnen Sie mir eine Pause«, sagte er.
Molina hob den Zeigefinger. »Wenn Sie allerdings bereit sind, mir ein paar einfache Fragen zu beantworten...« Er zuckte mit den Schultern. »Wer weiß?«
Corso dachte darüber nach. »Zum Beispiel?«
»Sie haben ausgesagt, Sie hätten mit Officer Richardsons Waffe auf Mr. de Groot geschossen... der dann geflohen ist.«
»Ja.«
»Wie oft haben Sie geschossen?«
»Netter Versuch. Hab' ich Ihnen gesagt. Einmal.«
»Und Sie dachten, Sie hätten was getroffen.«
»Den Wagen, nicht ihn. Hat sich angehört, als wäre ein Fenster oder so was zu Bruch gegangen.«
»Aber Sie sind sich nicht sicher?«
»Der Mann hatte ein Präzisionsgewehr mit Zielfernrohr. Ich habe nur meinen Arm rausgestreckt und abgedrückt. Ich habe nicht
Weitere Kostenlose Bücher