Die Spur des Dschingis-Khan
das Sprengkommando über die Dammkrone nach der anderen Berglehne hinüber. Im mittleren Teil war die frische Stelle. Am Nordufer, im harten alten Teil, sollte die entlastende Scharte ausgesprengt werden.
Im taghellen Licht der Scheinwerfer sah man vom Ufer aus die Mannschaft über die Dammkrone eilen. Sie mochte etwa die Mitte erreicht haben, als ein Blitz an dieser Stelle aufzuckte, ein krachender Donner das Toben der Elemente übertönte.
An der schwachen Stelle des Dammes war eine schwere Sprengladung explodiert. Einen Moment noch stand die Mauer dort zitternd im Strudel. Dann riß sie breit auf, neigte sich zu Tal und brach in Riesenbrocken auseinander. In wütendem Schwall stürzten die entfesselten Fluten zu Tal.
Verschwunden war an dieser Stelle der Damm … Verschwunden die Leute des Sprengkommandos auf ihm.
Ein Schrei des Entsetzens aus vielen tausend Kehlen.
Isenbrandt selbst stand unter der Wucht der Katastrophe wie erstarrt.
Ein Verbrechen? … Nur ein Verbrechen konnte es sein. Von wem? … Es bedurfte keiner Frage.
Mit schweren Schritten wandte er sich zum Ufer und begab sich in das Büro der Werkleitung.
»War unter dem Sprengkommando ein Gelber?«
Einer der Ingenieure beantwortete die Frage.
»Jawohl! Alibeg! Ein kirgisischer Vorarbeiter … Einer, der sich durch besondere Anstelligkeit auszeichnete.«
Ein Held! dachte Isenbrandt bei sich … sicher ein gelber Ingenieur, der sich hier unter falscher Flagge als Werkmann verdingt hat.
Dann wandte er sich an den Stationsleiter.
»Ich kehre nach Wierny zurück. Alle Nachrichten für mich bitte dorthin! Hier ist Menschenhilfe vergeblich. Vertrauen wir auf Gott.«
Noch einmal warf er einen Blick auf das Tal, in dem das entfesselte Element dahinschoß.
* In Urga, der alten Hauptstadt der Chalka-Mongolen, hatte Wellington Fox mit Hilfe des getreuen Ahmed die Witthusens ermittelt. Viele Wochen hindurch war Ahmed in der Maske eines sartischen Händlers durch das mongolische Land gezogen. Hatte mit großem Geschick geforscht, bis er endlich die Spur hatte.
Dann war Wellington Fox zu ihm gestoßen. Der kam als russischer Teehändler mit einer großen Handelskarawane aus dem nahen Kjachta über die russische Grenze. Vorzüglich hatte er es verstanden, sein Äußeres der Rolle, die er hier spielen mußte, anzupassen. Den Mangel seiner russischen Sprachkenntnisse verbarg er geschickt unter einem freilich recht holperigen Chinesisch.
In einer der großen Herbergen der Stadt, in der die Karawane Quartier nahm, hatte er sein Unterkommen gefunden. Daß er hier häufig mit einem sartischen Händler zusammenkam, fiel nicht weiter auf.
Es war um die Zeit der Abenddämmerung. Wellington Fox saß in dem einfachen Raum, der ihm in der Karawanserei als Unterkunft diente.
Ein leises Klopfen an der Tür. Wellington Fox schob den schweren Holzriegel zurück. Der Sarte trat in den Raum.
»Bist du da, Ahmed? … Wie steht’s?«
»Gut, Herr! Euer Papier ist in den Händen des alten weißen Herrn.«
»Will er es tun?«
»Ja, Herr … er machte das verabredete Zeichen …«
»So wirst du also um neun Uhr mit den Gefangenen das Haus verlassen. Bist du ganz sicher, daß der Wärter keinen Verrat übt?«
»Er wird seinen Schwur halten, Herr. Wirst du ihn aber auch im Flugschiff mitnehmen, wie du versprochen? Er fürchtet die Strafe, wenn die Flucht entdeckt ist.«
»Ich werde ihn mitnehmen … samt seinen fünfhundert Dollar. Er mag sie in Frieden in Kjachta verzehren.
Der Weg vom Haus bis zum Brunnen ist kurz. Um neun Uhr werde ich dort unter dem Schein einer Notlandung niedergehen.«
»Wenn du da bist, wird alles gut sein, Herr!«
Ahmed verließ den Raum. Wellington Fox blieb mit seinen Gedanken allein. Noch einmal überlegte er alle Chancen.
*
Es waren ein paar helle, freundliche Räume, in denen die Witthusens die Tage ihrer Gefangenschaft verbrachten. Der alte Herr saß seiner Tochter gegenüber. Ein Schachbrett, das ihnen die Stunden ihrer Haft kürzte, stand zwischen ihnen. Aber seitdem das Papier des sartischen Händlers durch den bestochenen Wärter in ihren Händen war, standen die Figuren unberührt auf den Feldern.
Mit gedämpfter Stimme … fast flüsternd sprachen sie. »Die Freunde, Maria, an die ich zuerst gedacht, haben nichts für uns getan … vielleicht nichts tun können … Der Konsul … wie oft war er in unserem Hause … nichts …
Collin Cameron … am Tage vor unserer Gefangennahme rühmte er sich seiner guten Beziehungen …
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