Die Spur Des Feuers
Gary, Charlies zehnjährigen Sohn, die Treppe herunterkommen. Er trug einen blauen Anzug und eine Krawatte, sein Gesicht war blass und angespannt. Der Arme! Nach den Tränen in der ersten Nacht hatte er tapfer die Fassung gewahrt, aber das würde ein schlimmer Tag für ihn werden.
Es würde für alle ein schlimmer Tag werden.
»Ich glaube, auf Beerdigungen sind Hunde nicht unbedingt erwünscht, Gary«, erwiderte sie sanft. »Und man kann sich nicht immer darauf verlassen, dass Sam sich ordentlich benimmt.«
»Das wäre Dad egal.« Gary schluckte. »Er mochte Sam. Er hat zwar immer über ihn geschimpft, aber Sam hat ihn auch immer zum Lachen gebracht. Ich glaube, Kim hätte ihn gern dabei. Sie ist erst sechs und – Sam würde es irgendwie leichter für sie machen.«
Und für Gary würde er es auch leichter machen. Ein vertrautes Tier zu berühren war für die meisten Kinder ein großer Trost.
»Ich werde deine Mutter fragen, ob ich herkommen und ihn holen kann, sobald der Gottesdienst vorbei ist und wir auf den Friedhof gehen. Aber du und Kim, ihr müsst beide dafür sorgen, dass er keinen Unsinn anstellt. Versprochen?«
Gary nickte. »Er ist bestimmt brav. Schließlich ist er klug. Er versteht bestimmt, dass Dad –« Seine Augen füllten sich mit Tränen und er eilte an Kerry vorbei zur Tür hinaus. »Kim wird sich freuen, dass Sam mitkommt. Sie ist noch ein Kind …«
Auch Kerrys Augen brannten, als sie Gary auf die Veranda folgte. Gary war ebenfalls noch ein Kind. Zwei großartige Kinder, die ihren Vater verloren hatten und nun ohne den warmherzigen, starken Mann aufwachsen mussten, der Charlie gewesen war …
Nicht an die Zukunft denken. Im Moment bestand ihre Aufgabe darin, Edna und die Kinder durch diesen schrecklichen Tag zu begleiten.
Leb wohl, Charlie.
Kerry warf die Rose, die man ihr gegeben hatte, auf den Sarg und trat einen Schritt zurück.
Kim und Gary klammerten sich an die Hände ihrer Mutter, und Tränen strömten ihnen übers Gesicht, als sie ihre Rosen auf den Sarg warfen. Dann grub Kim ihre freie Hand in Sams Nackenfell. Gott sei Dank benahm der Hund sich ordentlich.
Kerry war froh, dass die Beerdigung fast vorüber war. Lange hätte sie nicht mehr durchgehalten. Sie riss ihren Blick vom Sarg los. Lieber wollte sie Charlie so in Erinnerung behalten, wie sie ihn gekannt hatte. Es war besser – Sie zuckte zusammen.
In einiger Entfernung des Grabs stand jemand im Schatten einer mächtigen Eiche. Er war halb hinter dem Baumstamm verborgen und benahm sich, als wollte er nicht gesehen werden.
Einbildung. Jeder hatte Charlie gemocht und er hatte keine Geheimnisse gehabt. Warum sollte sich jemand hinter einem Baum verstecken, damit niemand sah, dass er zur Beerdigung gekommen war? Und doch war sie sich beinahe sicher, dass – Er war weg. Eben war er noch da gewesen, jetzt war er im Gebüsch verschwunden.
»Kann ich mit dir und Sam im Auto zurückfahren?«, fragte Gary, der neben ihr stand.
Sie nickte. »Selbstverständlich. Wenn es deiner Mutter recht ist.«
»Ich hab sie schon gefragt.« Gary schob seine Hand in ihre.
»Sie und Tante Donna müssen sich um Kim kümmern. Sie werden mich nicht vermissen.«
»Deine Mutter wird dich sicherlich vermissen. Sie braucht euch beide, dich und Kim. Ihr müsst jetzt alle zusammenhalten.«
Gary nickte. »Ich werde meine Mom beschützen.«
Er drückte ihre Hand etwas fester. »Ich werde ganz bestimmt alles tun, was mein Daddy sich von mir gewünscht hätte. Aber nicht heute. Okay?«
Sie nickte. Ebenso wie Edna hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie Garys Bedürfnisse nicht wahrgenommen hatte. Er musste mit seiner Trauer fertig werden, und die überwältigende Fürsorge, die ihm entgegengebracht wurde, hielt ihn davon ab.
»Das hat alles Zeit. Niemand drängt dich. Geh Sam holen, dann fahren wir los.«
Sie blickte ihm nach, wie er zu seiner Mutter lief, dann schaute sie noch einmal zu der Eiche hinüber.
Niemand zu sehen.
Warum machte sie das nervös? Es musste keine vernünftige Erklärung geben. Vielleicht war es einfach jemand gewesen, der auf dem Friedhof arbeitete und die Beerdigung nicht stören wollte. Oder irgendein Verrückter, der sich auf Friedhöfen herumtrieb und seine makabre Freude an der Trauer anderer hatte.
Silver.
Durchaus möglich. Sie hatte den Mann nicht genau sehen können. Es war nur ein flüchtiger Eindruck gewesen von einem großen Mann in einer dunkelblauen Windjacke und mit einer Baseballmütze auf dem
Weitere Kostenlose Bücher