Die Spur Des Feuers
Silver schloss, atmete Kerry tief durch. In was für einen Wahnsinn war sie da geraten? Doch es war kein Wahnsinn. Wahnsinn wäre es, Trask weiter frei herumlaufen zu lassen und tatenlos zuzusehen, wie er Leid und Schmerz über andere Menschen brachte.
Also sollte sie lieber aufhören, die Entscheidung, die sie bereits getroffen hatte, in Frage zu stellen. Zunächst ging es nur darum, sich selbst so gut wie möglich zu schützen, indem sie sich so viele Informationen beschaffte, wie sie konnte. Sie nahm das Telefon und wählte Michael Travis’ Nummer.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie Leid es mir tut, was mit deinem Bruder und seiner Frau passiert ist«, sagte Travis, als er das Gespräch entgegennahm. »Es ist einfach grauenhaft.«
»Ja, allerdings. Ich nehme an, Silver hat dich angerufen und dir alles erzählt. Aber vielleicht sollte ich von so was gar nicht ausgehen. Vielleicht hast du ja einen von den parapsychologischen Freaks aus deiner bescheuerten Gruppe auf mich angesetzt.«
»Silver hat mich angerufen. Er wollte mich informieren und hat mich gebeten, bei den Behörden Personenschutz für deine Familie anzufordern. Und die Leute in unserer Gruppe sind keineswegs bescheuert. Wir sind ganz einfach Menschen, die versuchen zu überleben. Keiner von uns hat um diese besondere Fähigkeit gebeten. Und keinem von uns würde es einfallen, sie zu missbrauchen. Sie ist eher ein Fluch als ein Geschenk, wie du wohl weißt. Einige von uns sind deswegen wie du in einem Sanatorium gelandet. Einige begingen Selbstmord. Und einige haben diese Fähigkeit lange verborgen und insgeheim geglaubt, sie wären verrückt.«
»Bis Michael Travis als der große Retter erschien.«
»Ich versuche nur zu helfen«, erwiderte er ruhig. »Ich habe das alles am eigenen Leib erfahren.«
Sie schwieg einen Moment lang. »Ja, mir hast du geholfen.
Und ich habe mich nie dafür bedankt. Ich war einfach so wütend darüber, dass man mich nach all den Jahren im Koma in ein Sanatorium gesteckt hatte, so dass ich nichts anderes wollte, als ein normales Leben zu führen. Ich wollte über niemanden reden oder nachdenken, von niemandem hören, der so war … wie ich.«
»Aber ich glaube, inzwischen bist du bereit, dir etwas über uns anzuhören.« Er lachte in sich hinein. »Und dass du bereit bist anzuerkennen, dass du nicht die Einzige bist, die über eine solche Fähigkeit verfügt, betrachte ich als wichtigen Durchbruch.«
»Dann freu dich darüber. Aber ich werde mich eurer Gruppe niemals anschließen. Ich komme schon allein mit meinem Problem zurecht.«
»Wir auch. Und unsere Gruppe ist auch nicht besonders organisiert. Wir treffen uns, weil es uns gut tut, uns mit Leuten auszutauschen, die unser Problem verstehen. Das ist ein Segen, denn meistens sind wir uns nicht mal sicher, ob wir uns selbst verstehen. Auch wir legen Wert auf Unabhängigkeit und Privatsphäre, und keiner von uns würde je auf die Idee kommen, diese Grenzen zu verletzen.« Er holte tief Luft. »Außer wenn einer von uns durchdreht und für uns andere zur Gefahr wird.«
»Durchdreht?«
»Einige in unserer Gruppe sind stabiler als andere, so wie in jedem sozialen Gefüge. Das psychische Gleichgewicht ist immer dann besonders gefährdet, wenn man unter Druck steht, so wie wir. Und es besteht immer die Möglichkeit, dass jemand, der abstürzt, das Vertrauen bricht und uns alle einer Situation aussetzt, in der wir verletzt und gedemütigt werden können.«
Dann fügte er hinzu: »Das Letzte, was wir brauchen könnten, wäre ein Artikel in der Newsweek über uns.«
»Und was macht ihr mit jemandem, der plötzlich durchdreht?«
Travis lachte. »Wir bringen ihn jedenfalls nicht um. Gott, bist du misstrauisch! Wir versuchen, ihm zu helfen, so gut wir können. Wir bestimmen ein oder zwei Leute aus der Gruppe, die sich um solche Fälle kümmern. Und in den meisten Fällen geht das gut.«
»Und wenn nicht?«
»Dann bitten wir Silver, aus Washington herzukommen und es zu versuchen. Wenn er nicht gerade mit einem wichtigen Projekt beschäftigt ist, nimmt er sich die Zeit.«
»Wenn? Ich hätte gedacht, er würde alles stehen und liegen lassen. Ist er nicht dein Freund?«
»Nein. Wir respektieren einander, aber ich würde ihn nicht als Freund bezeichnen.«
»Aber er gehört zu deiner Gruppe.«
»Nein, er ist genau wie du. Er legt allergrößten Wert auf seine Unabhängigkeit. Nicht ich habe ihn gefunden, er hat mich gefunden. Doch im Gegensatz zu dir wollte er sein
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