Die Spur des Spielers
nächste offenkundige Feststellung hinterfragt: Er trägt keinen Ehering, ist also unverheiratet, und Kinder hat er deshalb nicht, weil er sonst vermutlich nicht am Samstagnachmittag zur Arbeit fahren, sondern stattdessen die Vormittagsschichten während der Woche wählen würde, so wie die meisten Menschen mit einem Familienleben. Bewiesen ist das natürlich nicht, aber wahrscheinlich genug, um auf dieser Grundlage weitere Spekulationen anstellen zu können. Denn warum ist seine angenommene Kinderlosigkeit überhaupt relevant für uns? Weil wir dadurch mutmaßen können, dass er auch heute am Sonntag arbeitet.«
Justus überließ seine Freunde der Sprachlosigkeit, während er ins Internet ging und die Webseite von Phoenix Sports aufrief. Ein paar Klicks, dann griff er zum Telefonhörer und schaltete den Verstärker ein.
»Wen rufst du denn jetzt ...«
»Phoenix Sports Venice, Susie Miller, einen schönen guten Tag.«
»Guten Tag, hier spricht Mark Hopper«, sagte Justus mit leicht verstellter Stimme. »Ich rufe an, um eine Tennistrainingsstunde abzusagen, ich bin leider krank geworden.«
»Bei wem trainierst du denn?«
»Tja, das ist mir jetzt ein bisschen peinlich ... ich habe erst letzte Woche angefangen und den Namen meines Trainers vergessen.«
»Das ist natürlich schlecht«, sagte Susie Miller amüsiert, »aber das kriegen wir schon raus.«
»Ich weiß immerhin noch, wie er aussieht: ziemlich groß, dunkle Haare und, ach ja, er hatte wohl kürzlich eine Knieverletzung, hat er mir zumindest erzählt.«
»Ach, dann meinst du bestimmt Bradley. Warte, ich sehe mal im Plan nach, dann können wir die Stunden umlegen. Wann hätte die denn sein sollen?«
»Heute Nachmittag um fünf.«
»Hm ... seltsam ... bist du sicher? Bradley fängt nämlich erst um sechs an zur Spätschicht.«
»Ach ja, sechs Uhr, meine ich.«
»Aber das ist immer noch seltsam ... für sechs steht hier nämlich eine Lucy in Bradleys Plan. Du bist nicht Lucy, stimmt’s?« »Nein, ich bin nicht Lucy. Ich muss mich geirrt haben.« Justus murmelte eine Entschuldigung, legte auf und wandte sich an Bob und Peter. »Tja, schade, ich hatte gehofft, sie würde mir auch den Nachnamen sagen. Wir müssen uns also wohl heute um halb sechs auf den Parkplatz des Phoenix-Sportcenters in Venice begeben und auf Bradley warten. Na ja, da kann man nichts machen. Ist vielleicht sowieso ganz schlau, dann können wir seinen Wagen gleich auf Unfallspuren untersuchen.«
Bob war der Erste, der seine Sprache wiederfand. »Just! Das war ... echt beeindruckend!«
»Ich weiß.«
»Aber woher wusstest du, dass du in Venice anrufen musst?«, wollte Peter wissen. »Phoenix Sports hat mindestens vierzig Center im Großraum Los Angeles!«
»Auf Bradleys T-Shirt kann man, wenn man genau hinschaut, unter dem Logo der Kette noch zwei Buchstaben erkennen, die zum jeweiligen Center gehören: VE. Damit kamen nur Venice, Ventura und Vernon infrage. Die Webseite verriet mir, dass es in Vernon keine Niederlassung gibt. Also hatte ich eine Fifty-fifty-Chance. Der Rest war Glück.« »Hast du gehört, Peter? Glück war auch dabei. Aber nur ein kleines bisschen.«
Das Telefon klingelte.
»Hoffentlich ist das nicht noch mal Susie Miller vom Sportcenter«, sagte Peter.
Doch Justus schüttelte den Kopf. »Die hat unsere Nummer nicht, sie wird unterdrückt, schon vergessen?« Er ging ran. »Justus Jonas von den drei Detektiven.«
Niemand meldete sich. Doch sie hörten jemanden atmen. »Hallo, wer ist denn da?«
Jemand sprach mit dumpfer Stimme: »Hört auf, das Schachspiel zu suchen! Und haltet euch von Bishop Blake fern!« »Wer sind Sie?«
»Jemand, der es ernst meint! Das nächste Mal stürzt jemand vom Dach oder kann nicht mehr über die Terrasse fliehen.« Noch bevor Justus antworten konnte, hatte der Mann am anderen Ende aufgelegt.
Der verschwundene Großmeister
Das Phoenix-Sportcenter lag in einem Gewerbegebiet direkt hinter dem Hafen. Autohäuser, Waschstraßen, Fast-Food-Ketten und riesige Supermärkte buhlten mit bunten Schildern und Leuchtreklamen um Aufmerksamkeit. Das Center selbst war ein großer Betonklotz, in dem sogar ein Schwimmbad untergebracht war. Die oberste Etage war komplett verglast und man konnte von der Straße aus ein paar schemenhafte Gestalten auf Laufbändern und Crosstrainern erkennen. Der Parkplatz des Sportcenters war zu drei Vierteln leer. Peter stellte seinen MG so ab, dass sie sowohl die Parkplatzeinfahrt als auch den Eingang zum
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