Die Spur des Tieres
armseliger Held war, setzte er doch getreulich Fuß vor Fuß, dem Gestank folgend, der sie irgendwann zu IHM führen mußte. Und dann, daran gab es kaum einen Zweifel, würden ihre Schwierigkeiten erst richtig beginnen .
*
Dieser Oktober hatte schon eisig kalte Tage, aber noch schwerer zu ertragen waren die Nächte. Die erste Zeit der Hetzjagd auf den Spuren des tierhaften Satans, den zu finden und zu besiegen Salvat zum höchsten Ziel erklärt hatte, war von einem vorsichtigen gegenseitigen Abtasten zwischen Lilith und Tobias Stifter geprägt. Sie kannten einander ja erst seit dem Debakel in der Kirche, und der Auftrag, der sie zu Verbündeten machte, schweißte nicht automatisch auch zusammen.
Dennoch entdeckte Lilith relativ bald, daß Tobias' Charakter ihr zusagte. Und umgekehrt . nun, anfangs hatte es durchaus den Anschein, als würde der junge Heidelberger sich nicht die Mühe machen, hinter die attraktive Fassade zu blicken, die nicht einmal Li-liths echte war.
Kathalena war ein schönes Kind, und auch wenn diese Kathalena offenbar Liliths ungestümem Eroberungsdrang zum Opfer gefallen und aus ihrer Hülle vertrieben worden war: Ihr Körper hatte dadurch nichts von seiner liederlichen Anziehungskraft eingebüßt. Im Gegenteil. Das neu hineingepflanzte Bewußtsein färbte auf das Äußere ab und belegte es mit einem zusätzlichen Reiz. Davon war Li-lith überzeugt, auch wenn es tausendmal wichtigere Dinge in diesen Zeiten zu bedenken gab. Sie hatte es mit eigenen Augen gesehen. In einem Spiegel - denn Lena war noch immer Mensch und nicht den Gesetzmäßigkeiten der Vampire unterworfen.
Verstohlen spähte sie zur anderen Seite des Feuers, wo Tobias gedankenverloren in der Glut herumstocherte. Auch er ahnte nicht, welches Geheimnis sie ihm und allen Menschen dieser Zeit vorenthielt.
Daß sie aus der Zukunft kam.
Einer Zukunft, in der der Satan nicht - oder zumindest noch nicht - die erstrebte Weltherrschaft angetreten hatte ...
Oder täuschte sie sich?
Wieder schauderte sie zusammen, als sie sich an Salvats düsteres Credo erinnerte. Manchmal, so hatte er ausgeführt, käme es ihm vor, als wartete der Teufel nur ab, bis die Vampire endlich alle maßgeblichen Machtpositionen unterwandert und sich darin etabliert hätten. Wenn er dann die Alte Rasse eliminierte, konnte er die entscheidungsuntüchtig gewordenen Menschen ins völlige Chaos treiben .
Mit klammem Unbehagen fragte sie sich, ob nicht auch genau das inzwischen geschehen sein könnte. Ob das Sippensterben der Zukunft denn wirklich von Gott ausgelöst worden war - oder ob nicht auch sein Antipol, der Satan, dahinterstecken konnte?
Was war wirklich am Anfang der Zeit geschehen?
Sie merkte nicht, wie sie die eine Faust, die ihr gehorchte, ballte und leise aufstöhnte.
Sie bemerkte auch Tobias' Blicke nicht.
Genug! dachte sie. Salvat hatte recht: Mir fehlt der wahre Glaube, sonst würde ich nicht bei erstbester Gelegenheit alles, aber auch wirklich alles, was den Sinn meines Daseins ausmacht, in Frage stellen!
Nicht Satan, Gott hatte den Vampiren die Seuche gesandt, an der das Gros von ihnen zeitrafferschnell und elendiglich, wie es ihre Untaten als Sühne forderten, krepiert waren!
»Was hast du?«
Lilith schrak zusammen. Jenseits des Feuers sah sie Tobias' Züge, die in anderer Weise als ihre eigenen angespannt wirkten.
Zwei Leben, dachte sie vage. Zwei völlig verschiedene Sichtweisen dessen, was wir hier durchmachen ... das ist normal.
Normal!
Sie kam nicht dazu, ihre Frustration noch mehr überschäumen zu lassen. Als sie nicht antwortete, erhob sich Tobias, umrundete das Feuer und setzte sich direkt neben sie auf den in einem Sturm umgestürzten Stamm einer Buche.
Es war kein plumper Annäherungsversuch, nicht einmal ansatzweise. Um so verwunderter war Lilith, als Tobias ihre (Lenas!) Hand nahm und in einem Ton, der keine Ablehnung ertragen hätte, bat: »Ich werd' nicht damit fertig! Kannst du mir sagen, wie du das erträgst?«
»Was meinst du?«
Er setzte zweimal zum Sprechen an, ehe er leise sagte: »Den Verlust ... Ich ... ich hab' alles verloren - alles, woran ich einmal geglaubt hab'.
Geht es dir so anders? Hast du soviel erlebt, daß das hier ... normal für dich ist?«
Der Druck seiner Hände nahm zu. Und da war auch wieder dieses Wort, das Lilith wie der nackte Hohn vorkam - nicht erst seit heute, eigentlich schon so lange sie zurückdenken konnte: normal.
Seine ganze Haltung, die von den prasselnden Flammen des Feu-ers
Weitere Kostenlose Bücher