Die Spur des Verraeters
erschöpft, sehnte er sich nach einem heißen Bad, einer Mahlzeit und Schlaf. Aber er hatte kein Geld und musste überdies ständig in Bewegung bleiben, um den Soldaten zu entkommen, die auf der Suche nach ihm noch immer die Stadt durchkämmten, ungeachtet der Kriegsdrohung durch die Holländer.
Gestern Abend, bei der Jagd auf die Schmuggler, hatte Hirata Geräusche im Inneren der Höhle gehört und war gerade rechtzeitig zurückgekehrt, um zu beobachten, wie die Polizei Sano und Kiyoshi verhaftete. Dann hatten die Männer der Hafenpatrouille sich auf die Suche nach ihm, Hirata, gemacht; später hatten sich weitere Truppen an der Jagd beteiligt. Bei seinem verzweifelten Versuch, den Häschern zu entkommen, war Hirata die ganze Nacht durch Wälder geflüchtet, war Hügel hinaufgestiegen, war über Felder gekrochen und hatte Flüsse durchwatet. Wer sollte Sano retten, wenn er, Hirata, nicht auf freiem Fuß blieb? Als der Morgen graute, war er bis zum Umfallen erschöpft gewesen und hatte in einer Baumkrone eine Stunde geschlafen. Doch der Schlaf hatte ihm keinen Frieden gebracht, denn er hatte von seinem einstigen Lehrmeister geträumt, und dem Hinterhalt im Teehaus und seiner feigen Flucht, die ihm jedoch eine zweite Chance eröffnet hatte, seinen Wert als Samurai unter Beweis zu stellen.
Kurz nachdem man die Tore Nagasakis am frühen Morgen wieder geöffnet hatte, war Hirata zurück in die Stadt geschlichen. Jetzt war er froh darüber, die Kleidung zu tragen, in der er sich am wohlsten fühlte: seine alte doshin -Uniform, die aus einem kurzen Kimono, Beinlingen aus Baumwolle, einem Strohhut, einem Kurzschwert und der jitte bestand. Solange Hirata sein Gesicht verborgen hielt, ging er als doshin – als Streifenpolizist – aus Nagasaki durch. Und bislang hatte seine Verkleidung ihren Zweck erfüllt.
Zuerst hatte Hirata herausgefunden, was mit Sano geschehen war. In der ganzen Stadt hatten die Verkäufer von Nachrichtenblättern reißerisch die Meldung des Tages verkündet: »Der sôsakan des Shogun ist ein Verräter! Hier könnt ihr alles darüber lesen!«
Hirata überflog eines der Nachrichtenblätter. Heißer Zorn stieg in ihm auf, als er las, welche Anklagen gegen seinen Herrn erhoben wurden; dann wich seine Wut der Erleichterung, als er erfuhr, dass Sano noch drei Tage auf freiem Fuß blieb, bis das Tribunal zusammentrat. Also blieb Hirata ein wenig Zeit, Beweise gegen die wahren Verbrecher zu sammeln und Sanos Unschuld zu beweisen.
Zuerst hatte Hirata dem Händler Urabe einen Besuch abgestattet. Vor dem Laden, in dem die ausländischen Waren verkauft wurden, traf er Urabes Tochter Junko an, die Hirata anflehte, Kiyoshi zu retten.
»Kiyoshi ist unschuldig, Herr. Das müsst Ihr Eurem Vorgesetzten sagen, dann werden sie ihn freilassen!« In ihrer Erregung hatte Junko mit den kleinen Fäusten an Hiratas Brust geschlagen und geschluchzt: »Bitte, ich will nicht, dass er stirbt!«
»Wenn Kiyoshi kein Schmuggler ist, was hat er dann in der Höhle gewollt?«, hatte Hirata gefragt.
Worauf Junko erwiderte, Kiyoshi sei den geheimnisvollen Lichterscheinungen gefolgt, um zu versuchen, einen dieser Geister zu fangen, der ihm für seine Freilassung genug Gold geben würde, dass es für die Hochzeit mit ihr, Junko, reichte. »Mein Kiyoshi ist ein guter Samurai. Nie würde er gegen das Gesetz verstoßen.« Weinend fügte das Mädchen hinzu: »Er ist so freundlich und gehorsam, so treu und ergeben!«
Treu und ergeben genug, sein Leben zu opfern, um jemand anderen zu retten? Hirata erinnerte sich an Sanos Verdacht, dass Urabe Jan Spaen bei den Schmuggeleien geholfen hatte, vielleicht, indem er die Waren auf dem Schwarzen Markt verkaufte. Hatte Kiyoshi gelogen, um Junko zu retten, die man als Tochter Urabes ja mit bestraft hätte, wäre der Händler zum Tode verurteilt worden?
Während Hirata so tat, als würde er Urabes Laden und Schreibstuben nach dem Flüchtigen durchsuchen, hatte er sich bei dem Händler erkundigt, wo dieser sich in den fraglichen Nächten aufgehalten hatte. Urabe behauptete, er sei jedes Mal allein in seinem Laden gewesen und habe lange gearbeitet – in der Nacht, als Spaen verschwand, in der Nacht, als Pfingstrose ermordet wurde und auch in der Nacht, als die Höhle der Schmuggler entdeckt worden war.
Doch Urabes Alibis wurden durch zwei Vorkommnisse geschwächt. Überdies ergab sich ein mögliches Motiv, dass der Händler sich an den Schmuggeleien beteiligt hatte. Drei finstere Burschen waren zum
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