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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Überlegenheit.
    »Lasst die Schwerter fallen!«, befahl Iishino.
    Der Deckel seines tragbaren Schreibpults war geöffnet; offenbar hatte er die Pistole aus diesem Pult genommen, als Sano dem sterbenden Abt Liu Yun gelauscht hatte. Im Stillen fluchte Sano über seinen Mangel an Voraussicht, als er nun die Schwerter fallen ließ, die klirrend auf den Boden prallten. Er hatte doch gewusst, dass die Schmuggler an Waffen heran konnten! Er hätte damit rechnen müssen, dass der feige Iishino eine Pistole mit sich führte! Er hätte diesen Schurken töten sollen, als noch Gelegenheit dazu gewesen war!
    »Legt die Pistole nieder, Iishino«, sagte Sano mit einer Stimme, die in seinen eigenen Ohren dünn und schwächlich klang. Hirata und Takeda kämpften noch immer mit Nirin und drei Wachsoldaten; Takedas Gefolgsleute lagen tot am Boden. Mit einem Mal verdrängte zornige Entschlossenheit Sanos Furcht. Der verlogene und bestechliche Dolmetscher war ein erbarmungsloser Mörder. Alles in Sano sträubte sich dagegen, diesen Mann davonkommen zu lassen. Wenngleich unbewaffnet, besaß er immer noch seinen scharfen Verstand, den er gegen Iishino einsetzen konnte. Sano trat einen Schritt vor und sagte mit ruhiger Stimme: »Meine Männer werden die Euren besiegen. Tötet mich, und sie werden Zeugen dieses Mordes sein. So oder so – Ihr könnt nicht entkommen. Also, legt die Pistole nieder.«
    Während Iishino sich noch tiefer in die Nische drückte, ließ er den Blick gehetzt umherschweifen; seine Lippen bewegten sich. Doch er hielt die Waffe unverwandt auf Sano gerichtet. Mit der linken Hand griff er ins Schreibpult und nahm ein Rechnungsbuch heraus – ein dünner Packen Blätter, in schwarze Seide gebunden und mit einer blutroten Kordel verschnürt. Er schob das Buch unter seine Schärpe und erhob sich. »Zurück mit Euch, oder ich schieße!«
    Er stieß die Waffe vor, die er mit beiden Händen hielt. Sano wich zurück, und Iishino kam vorsichtig aus der Nische und bewegte sich in Richtung Tür. Sano betrachtete den Schießmechanismus der Pistole: ein kleiner, mittels einer Feder gespannter Bolzen, in dem ein spitzer Flintstein steckte, der nach vorn schnellte und das Schießpulver entzündete, sobald man den Abzug betätigte. »Pistolen sind nicht so zuverlässig wie Schwerter, Iishino«, sagte Sano und kämpfte seine Panik nieder, als er dem Dolmetscher folgte. »Das Pulver könnte sich nicht entzünden.« So etwas geschah des Öfteren, wie Sano wusste. »Und Ihr habt nur einen Schuss.« Es kam hinzu, dass der Rückstoß der Waffe bewirken konnte, dass die Kugel ihr Ziel verfehlte, sogar auf kurze Entfernung.
    Iishino kicherte. »Diese hier ist eine ausgezeichnete Waffe. Sie gehörte Direktor Spaen. Sie feuert jedes Mal, jedes Mal … er hat es mir gezeigt. Kommt mir ja nicht zu nahe, ich warne Euch!«
    Seine Stimme besaß einen schrillen Beiklang, und die Waffe in seiner Hand zitterte heftig, während er sich rückwärts zur Tür bewegte. Als Sano sich vorstellte, wie aus der runden schwarzen Öffnung des Laufs donnernd und rauchend der Tod fuhr, schlug ihm das Herz bis zum Hals, und hastig versuchte er, den Dolmetscher zu beruhigen.
    »Warum habt Ihr bei dem Schmuggelgeschäft mitgemacht, Iishino?«, fragte er, denn er wusste, dass Verbrecher gern die Gelegenheit nutzten, ihre Taten zu rechtfertigen.
    »Ich hatte keine Wahl, keine Wahl.« Wie Sano erhofft hatte, wurde Iishinos Stimme fester, die Waffe in seiner Hand ruhiger, und seine Flucht zur Tür langsamer. »Statthalter Nagai hat mit den Barbaren einen geheimen Handel geschlossen. Und mir gab er den Auftrag, mich um die Einzelheiten zu kümmern.« Iishino zuckte zusammen, als Sano ihm zu nahe kam. »Bleibt mir vom Leib!«
    Hastig wich Sano einen Schritt zurück. »Wie hätte ich Statthalter Nagai eine Gefälligkeit verweigern können?«, plapperte Iishino weiter. »Ich will doch nicht Amt und Würden verlieren! Außerdem bezahlt er mich sehr gut, und ich brauche das Geld. Es kommt mich sehr teuer, ständig Geschenke für meine Vorgesetzten kaufen zu müssen. Ihnen bloß Gefälligkeiten zu erweisen genügt ihnen nicht.«
    »Und was tun Eure Vorgesetzten als Gegenleistung für diese Geschenke? Leuten wie mir Fallen stellen, damit sie ihnen Verbrechen anhängen können?«
    »Ja … ich wollte sagen, nein! Ach, Ihr würdet ja sowieso nicht verstehen!« Während er redete, wurde Iishino immer wütender und aufgeregter. »Ich wisst ja gar nicht, wie es ist, so einsam zu sein,

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