Die Spur fuehrt nach Tahiti
erzählte“, meinte der Baron und blieb stehen. Er zeigte mit seinem Spazierstock auf eine grün angestrichene Baracke. Sie lag wie die anderen Hütten in einem hübschen kleinen Garten, hinter den vergitterten Fenstern hingen bunte Gardinen, und sie schien im Augenblick leer zu stehen.
„Sieht doch ganz einladend aus“, äußerte sich der Baron.
„Alles Geschmackssache“, erwiderte Krumpeter. „Ich würde jedenfalls bei so einer karierten Aussicht Magenschmerzen kriegen.“
Der Baron hielt den Kopf schief, ließ seinen dünnen Spazierstock ums Handgelenk kreisen und blickte Krumpeter eine ganze Weile belustigt in die Augen.
Ein oder sogar zwei Sekunden zu lang für den jungen Mann mit den semmelblonden Haaren. Klar, es war selbstverständlich, daß sich der Baron seine Gedanken über ihn machte. Immerhin konnte seine Freundlichkeit gespielt sein. Jedenfalls, so oder so, er würde höllisch aufpassen und enorm vorsichtig sein.
Vor einem viereckigen Bau mit weißgekalkten Wänden und einem Wellblechdach neben einer Tankstelle witzelte der Baron, daß dies der „Supermarkt“ der Insel sei.
Hinter zwei Schaufenstern waren in Wandregalen alle Waren aufgestapelt, die eine Insel braucht, auch wenn sie Früchte und Fische im Überfluß hat.
„Hier kriegen Sie alles“, meinte der Baron, zog an seiner alten Pfeife und paffte weißen Rauch vor sich in die Luft. „Mehl, Tee, Stoffe, einfach alles, bis zum Bügeleisen und zur Nähnadel. Das Ding gehört zu einer Pariser Ladenkette, die sich mit ihren Filialen auf dem ganzen Archipel eingenistet hat. Wir sind gleich da — “
Zwischen den Wurzeln der Bäume wuchsen jetzt wilde Orchideen, es roch wie in einem Blumenladen, und die Blätter unter ihren Füßen waren von der Hitze so trocken, als gingen sie über Cornflakes.
Das „Trois fleurs“ lag etwas erhöht am äußersten Ende des Dorfes.
Ein paar Hunde bellten durcheinander. Aber als die beiden Männer näher herankamen, winselten sie nur noch und schlichen davon.
„Huru-Huru“, rief der Baron. „Ich hab’ einen Gast für dich, du Gauner!“
Nach einer Weile waren Schritte zu hören, und dann kam ein langer Eingeborener aus dem Haus. Seine Haut war fast so dunkel wie bei einem Afrikaner. Seine Schultern waren breit, und seine Brust zeigte eine Menge Muskeln. Von seinem rechten Arm war nur ein Stumpf übrig.
„Ihr Gepäck ist schon gebracht worden“, sagte der Einarmige zu Krumpeter. „Und bevor Sie herumrätseln, was mit mir passiert ist, sag’ ich’s Ihnen lieber gleich.“ Er lächelte, blickte zum Baron und dann wieder zu Krumpeter. „Ein Hai hat mir vor zwei Jahren den Arm abgebissen und ist mit ihm davongeschwommen. Dabei kann ich von Glück sagen, daß er nicht noch auf mehr Appetit gehabt hat und mich am Leben ließ. Aber mit dem Tauchen ist es seitdem vorbei, und jetzt reicht’s halt gerade noch dazu, zusammen mit meiner Frau hier diesen Kasten in Ordnung zu halten.“ Er streckte Krumpeter seine rechte Hand hin, die etwas heller war als der übrige Körper. „Aere mai, und fühlen Sie sich wie zu Hause -“
Das tat Krumpeter dann auch schon wenig später.
Der Baron hatte sich verabschiedet und war pfeiferauchend und seinen Spazierstock schwingend zwischen den Palmen verschwunden.
Und Krumpeter hatte damit angefangen, seine beiden großen Koffer auszupacken.
Sein Zimmer lag im oberen Stockwerk und blickte zur Lagune hin. Das hohe Fenster war wie eine schmale doppelte Tür, und davor gab es einen klitzekleinen Balkon. Von hier konnte man hinter dem blauen Wasser das Riff sehen und den weißen Schaum von den Brechern, die dagegenschlugen.
Das Zimmer war nicht besonders groß. An der einen Wand stand ein Bett und an der anderen ein Regal, das mit Kunststoff überzogen war. In der Ecke gab es ein Waschbecken und daneben eine Dusche, oben mit einem umlaufenden Metallstab, an dem ein Plastikvorhang hing. Die Dusche hatte Krumpeter gleich ausprobiert. Ihr Wasser war lauwarm, und sie tröpfelte nur. Ein Klapptisch und ein Stuhl, beides aus Palmenholz. Als Beleuchtung hing eine Glühbirne an der Decke, und eine kleine Lampe mit einem orangefarbenen Schirm stand neben dem Bett. Das Prunkstück war ein knallrotes Plüschsofa, dessen Sitzfläche ziemlich abgenutzt war.
Nein, ein Hilton war das „Trois fleurs“ wirklich nicht.
Bevor es dunkel wurde, hatte die „MS Europa“ wieder alle Passagiere an Bord, lichtete die Anker und verließ unter dem Tuten seiner Sirene die Lagune.
Kaum
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