Die Spur fuehrt nach Tahiti
einzige so einen Sturm überstehen können. Aber dieser Hurrikan war schlimmer und stärker als alles, was bisher über die Insel hereingebrochen war.“ Der Baron machte eine Pause. Er hatte seinen weißen Panamahut abgenommen und fächerte mit ihm vor seinem Gesicht herum. „Als der Orkan weitergezogen war, hatte nur der Junge überlebt. Man fand ihn festgebunden und ohne Bewußtsein. Sein Vater und seine Mutter waren vom aufgewühlten Meer weggeschwemmt worden.“ Der Baron war stehengeblieben, jetzt ging er weiter.
„Es gab eine Menge Mitgefühl und Bereitschaft zum Helfen. Aber der Junge war nicht ansprechbar, und eines Tages war er plötzlich verschwunden. Man versuchte erst gar nicht, ihn im Dschungel der Insel zu finden. Der Hurrikan hatte die Hütten abgedeckt, den Pier abgerissen, die Boote ans Ufer geworfen und zertrümmert. Man schuftete von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, um die Schäden zu beseitigen. Es schien so, als sei Tagi vergessen. Und dann, eines Morgens entdeckte ich ihn am Strand. Abgerissen und ausgehungert, ein junger streunender Hund, der eine Hütte sucht. Ich hab’ ihm die Hand auf die Schulter gelegt, und seitdem ist er bei mir geblieben. Wenn Sie so wollen, als Hilfe für einen alten Mann, der immer älter wird. Ich wohne drüben am Palmenwald in einem kleinen Haus aus Holz mit einem Fundament aus Steinen. Daneben baute sich Tagi inzwischen mit der Hilfe von anderen jungen Insulanern seine eigene Hütte, hat jetzt wieder ein Zuhause, wo er hingehört — “
„Und beiden ist geholfen“, warf Krumpeter ein.
„Ja, unsere Firma funktioniert ganz ausgezeichnet“, der Baron lächelte und fügte hinzu: „Übrigens ist der Bursche mit seinen vierzehn Jahren schon jetzt einer der besten Taucher auf der Insel. Morgens in aller Frühe fährt er mit den andern auf der Meerseite zum Riff. Wenn er dann zurückkommt, hilft er mir im Haus, kauft für mich ein und kocht auch. Das kann er übrigens ganz prima. Seine Spezialität ist Fisch mit Zitrone und Kokosmilch —“
Die Nacht kam ohne Übergang und ganz plötzlich. Gerade noch war die Lagune von ihrem Grund her voller Farben gewesen, und schon im nächsten Augenblick bildete sie nur noch eine glatte schwarze Fläche mit dem weißen Schaum der Brandung hinter dem Riff.
Der Baron wurde im Gemeinschaftshaus von den Fischern und Tauchern erwartet. Er bezahlte ihnen aus seiner Aktentasche und nach einer Liste, was er auf Nuku Hiva bei den Händlern für ihre Perlen und Muscheln herausgeschlagen hatte.
Krumpeter kannte mittlerweile den Weg zu seiner Unterkunft.
Das „Trois fleurs“ hatte zu ebener Erde eine Art Kneipe mit einer Theke und einer Musikbox. Die Fenster standen weit offen, um die kühlere Nachtluft hereinzulassen. Der Perlenvorhang raschelte, als Krumpeter hereinkam. Huru-Huru stand auf einem Stuhl und war gerade dabei, mit seiner einen Hand an der Decke eine defekte Glühbirne auszuwechseln.
Seine Frau saß hinter der Theke, hatte eine dünne Zigarre zwischen den Zähnen und blickte gelangweilt in den Fernseher, in dem ein französisches Programm lief, das von Papeete zu den Inseln ausgestrahlt wurde. Das Bild flimmerte immer wieder, und der Ton sprang zwischen laut und leise hin und her.
Die Frau war schön, hatte eine gesunde braune Haut, glatte tiefschwarze Haare und genauso tiefschwarze Augen. Krumpeter hatte sie am Vormittag kennengelernt, als er in sein Zimmer eingezogen war.
„Bon soir, Monsieur“, sagte sie, nahm einen Zug aus ihrer Zigarre und legte sie dann in einen Aschenbecher aus Kunststoff mit einer Coca-Cola-Reklame.
„Ich hab’ frische Kokosnußkrabben und Tarobrei“, sagte sie. „Bestimmt haben Sie heute noch nichts gegessen.“ Damit ging sie, ohne eine Antwort abzuwarten, in die Küche.
Im gleichen Moment öffnete sich die Tür, durch die es zu einem schmalen Treppenhaus und zu den Zimmern ging. Herein kam ein Mann so um die fünfzig mit bereits grauem Haar, das in Büscheln und ungekämmt von seinem Kopf abstand.
Er hatte ein sonnenverbranntes Gesicht, das über der Stirn einen weißen Rand hatte, vermutlich weil er draußen immer einen Hut trug. Er war robust gewachsen, hatte kräftige Zähne, und sein Blick schien zu sagen: Sie werden mir schon aus dem Weg gehen müssen, denn ich hab’ nicht die Zeit und auch nicht die Lust, Ihnen aus dem Weg zu gehen. Trotzdem wirkte der Mann in seiner Schlabberkleidung geradezu gemütlich. Er hatte eine Kordhose an, ausgelatschte Kordpantoffeln und
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