Die Spur fuehrt nach Tahiti
ein dünnes Flanellhemd, das unter den Armen verschwitzt war.
„Das ist Monsieur Chaval“, sagte Huru-Huru. Die neue Glühbirne an der Decke brannte wieder, und er schob den Stuhl, von dem er gerade wieder heruntergeklettert war, auf seinen Platz neben einem hölzernen Tische zurück. „Monsieur hat Fakarava kennengelernt, als er einmal vor Jahren mit einem Vermessungsschiff der Regierung auf die Insel gekommen ist —“
„Und seitdem bin ich jedes Jahr für ein paar Wochen hier“, unterbrach ihn der Franzose, „weil ich damals ausfindig gemacht habe, daß Fakarava auf der ganzen Welt der einzige Platz ist, wo ich auf gutem Fuß mit meinem Asthma leben kann. Auch jetzt fühl’ ich mich schon wieder wie ein junger Gott und würde gern öfters und länger hiersein, aber ich hab’ ein ziemlich großes Wettbüro im Quartier Latin, und da kann ich nur abhauen, wenn Paris Urlaub macht. Wie darf ich dich anreden, junger Freund?“
Ganz selbstverständlich und ohne überlegen zu müssen, nannte Krumpeter seinen falschen Paßnamen. Das klappte inzwischen wie geschmiert. Und daß der Mann einfach „du“ zu ihm sagte, kratzte ihn weiter nicht.
„Dein Vorname?“
„Ekke“, erwiderte Krumpeter. Er ging wohl kein Risiko ein, wenn er bei seinem echten Vornamen blieb.
„Woher?“
„Frankfurt“, schwindelte Krumpeter jetzt wieder.
„So, und ich bin für dich ab sofort Jean-Louis“, meinte der Mann, der ganz offensichtlich seine Haare nur mit den Fingern kämmte. „Jetzt wollen wir uns auf tahitisch begrüßen“, schlug er vor. „Dazu geben wir uns zuerst die Hände.“ Das taten sie, und dann zog der Franzose Krumpeter an sich. Er umarmte ihn, schlug ihm mit der offenen Handfläche dreimal auf den Rücken, und das waren keine freundlichen Klopfer, sondern kräftige Hiebe.
„Jetzt du“, ermunterte er Krumpeter, der daraufhin seinerseits zuschlug. Jeder guckte jetzt dem andren über die Schulter. Der Franzose spuckte auf den Boden, und auch das machte Ekke ihm nach. Danach ließ ihn der Mann in der Kordhose wieder los, hielt aber noch immer seine rechte Hand fest, und noch im selben Atemzug rief er zu dem Einarmigen hinüber. „Hol die Karten, Huru-Huru, wir haben einen dritten Mann —“
Als sie später beim Skat und einem Glas Wein unter der reparierten Lampe saßen, dachte Krumpeter zwischendurch, daß dieser Tag, alles in allem, doch ein recht guter Tag gewesen sei.
Das Angebot
Es war die sechste oder auch schon die siebte Nacht im „Trois fleurs“, und er war inzwischen daran gewöhnt, daß sich die Dorfhunde hin und wieder aus verschiedenen Richtungen einander zubellten, wenn es dunkel war, oder gelegentlich ein Nachtvogel seinen Schrei ausstieß.
Das störte seinen Schlaf nicht.
Als Krumpeter an diesem Morgen aufwachte, dachte er, er sei in Berlin. Das stimmte natürlich nicht, und nach einer knappen Minute erst merkte er es — und war heilfroh.
Die Strahlen der Sonne fielen schon durch die Wipfel der alten riesigen Kokospalmen und lösten den Dunst auf, der über den Blechdächern der Hütten lag.
Nach einer Woche war immer noch nichts postlagernd für ihn gekommen.
Da Krumpeter nach dem Frühstück nichts Besseres mit sich anzufangen wußte, ging er zum Strand. Zum ersten Mal mit seiner Staffelei und dem Holzkasten, in dem er die Farben und Pinsel hatte.
Bisher war er immer mehr oder weniger ziellos ein Stück um die Lagune gewandert, oder der Baron hatte ihn zum Dorf begleitet und ihn nach und nach bei den Eingeborenen bekannt gemacht, wenn sie gerade in ihren Hütten waren.
Einmal hatte ihn Huru-Huru auf seinem schon ziemlich alten Motorrad mitgenommen, das er auch einarmig lenken konnte. Sie waren bis an den Rand des Dschungels am Berg Orohena gefahren und dann zum Heiligtum der Insel hinaufgeklettert. Das war ein etwa fünfzehn Meter hoher Frauenkopf gewesen, der in den Felsen hineingehauen war. Hira, die tahitische Gottheit der „Söhne des Meeres“, wie sich die Fischer auf der Insel nannten. Aus dem Mund der steinernen Maske war vom Berg herab klares Wasser gesprudelt, hatte sich in einen kleinen See ergossen, und wild wuchernde Lianen hatten den Zugang versperrt.
Als Krumpeter das „Trois fleurs“ verließ, schlief Monsieur Chaval aus Paris noch in seinem Zimmer, und Huru-Huru war auf der Meerseite bei den Fischern, wenn es stimmte, was seine Frau sagte. Sie fütterte gerade im Garten die Hühner.
„Ich darf dann aber sehen, was Sie gemalt haben“, rief sie über
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