Die Spur fuehrt nach Tahiti
nötig, daß der Einarmige seine Worte übersetzte. Die Eingeborenen sprachen ja französisch, und sie begriffen sofort. Zwei von ihnen griffen nach den Schultern des Jungen. Krumpeter packte ihn an den Fußgelenken, das eine Bein links und das andere rechts von seinem Körper. So lief er los, und die anderen liefen mit.
Da konnte man mal sehen, wie nützlich es ist, wenn man als Rettungsschwimmer einen Kurs für Erste Hilfe gemacht hat. Während Krumpeter durch den Sand trabte, holte er blitzschnell in sein Gedächtnis zurück, was man ihm damals eingetrichtert hatte. Tagi wird nicht nur im Magen Wasser haben, überlegte er. Wenn er bewußtlos war, ist ihm die Brühe bestimmt auch in die Lunge gelaufen.
Drüben bei den umgedrehten Booten deutete Krumpeter mit dem Kopf zu einem der leeren Benzinfässer.
„Komm, gib ihm einen Tritt, daß es auf die Nase fällt“, stieß er atemlos heraus, und ein großgewachsener Mann, kippte das Faß mit einem einzigen Stoß seines Fußes um, daß es quer in den Sand fiel.
Jetzt gab Krumpeter den beiden Burschen, die ihm beim Tragen geholfen hatten, zu verstehen, daß sie Tagi umdrehen und mit dem Bauch auf das Faß legen sollten. Das taten sie dann auch, und jetzt hingen die Beine des Jungen auf der einen Seite herunter, sein Oberkörper, der Kopf und die Arme auf der anderen.
„Und nun müßt ihr das Faß vorwärts und rückwärts rollen“, sagte Krumpeter. „Aber vorsichtig und immer nur einen halben Schritt hin und her
Die beiden stellten sich mit gespreizten Beinen hin, der eine am oberen Ende des Fasses, der andre unten.
„Ihr könnt anfangen —“
Krumpeter hatte sich dicht neben den Jungen postiert, und während sich das Faß jetzt bewegte, drückte er den schmalen Körper des Jungen nach unten. Seine Hände umfaßten die Hüften, und es sah so aus, als wollte er Tagi die Rippen brechen.
Aber so preßte er den Magen zusammen und massierte gleichzeitig das Herz.
Das ging eine ganze Weile so.
Der Junge gab noch immer kein Lebenszeichen von sich.
Die Eingeborenen, die im Kreis herumstanden, starrten zu dem hellblonden Fremden, dessen Hemd inzwischen so naß und durchgeschwitzt war, als hätte man ihn selbst gerade aus dem Meer gefischt.
Und dann passierte es.
Zuerst war nur ein leiser und gurgelnder Atem zu hören, aber fast im gleichen Moment bewegte sich der hängende Kopf, und kurz danach lief Wasser aus dem Mund und aus der Nase des Jungen.
Krumpeter quetschte den Körper jetzt mit seiner ganzen Kraft auf das leere Benzinfaß, das von den zwei Eingeborenen weiterhin und pausenlos in Bewegung gehalten wurde.
Augenblicklich kam Bewegung in die stummen Zuschauer, sie tuschelten durcheinander, und ihre bisher argwöhnischen Mienen hellten sich auf. Auch der Mann, den Krumpeter zuvor noch von Tagi weggestoßen hatte, zeigte jetzt ein offenes und erfreutes Gesicht.
Inzwischen floß das verschluckte Meerwasser bei jedem Druck und bei jeder Bewegung des Fasses aus Tagi heraus wie aus einem kleinen Brunnen oder so, als hätte man einen Wasserhahn zur Hälfte aufgedreht. Bis es zuerst aus der Nase weniger wurde, hinterher aus dem Mund und schließlich ganz aufhörte.
Jetzt hob Krumpeter den Jungen von dem Faß herunter und legte ihn auf den Rücken in den Sand. Er kniete sich hinter seinen Kopf, faßte ihn an den Handgelenken, breitete seine Arme aus und drückte die Hände dann über der Brust zusammen. Wieder und immer wieder.
Nach ein paar Minuten fing Tagi endlich schwach zu atmen an, und noch ein paar Minuten später schlug er die Augen auf.
„Na du —sagte Krumpeter, während er nicht aufhörte, die Arme des Jungen zu bewegen. „Jetzt hast du schon zum zweiten Mal Glück gehabt.“
Aber das verstand Tagi natürlich nicht. Er hustete nur, als hätte er sich verschluckt und machte die Augen wieder zu. „Ich krieg’ sie noch —“ würgte er plötzlich mühsam heraus.
„Was meint er damit?“ fragte Krumpeter, während er unermüdlich weiterpumpte.
„Er hat tief unten eine Perlmuschel entdeckt, die größer als alle anderen sein soll“, erklärte Huru-Huru. Er sah eine Weile zu, wie Tagi immer mehr zu Atem kam.
„Gut, daß Sie auf die Insel gekommen sind“, sagte er eine ganze Weile später und gerade so laut, daß es alle hören konnten.
Am nächsten Morgen, als Krumpeter in seinen Jeans, mit offenem Hemd und barfuß über das Gras am Palmenwald auf das kleine Haus und die Hütte zuging, bemerkte ihn der Baron gar nicht. Er hatte nämlich
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