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Die Spur fuehrt nach Tahiti

Die Spur fuehrt nach Tahiti

Titel: Die Spur fuehrt nach Tahiti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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die Augen geschlossen und lehnte bewegungslos mit ausgestreckten Beinen tief in einem Sessel, den er sich neben einer Hängematte in den Schatten gestellt hatte.
    Und in der Hängematte lag Tagi.
    Er hatte ein Buch vor der Nase und las laut aus ihm vor. Das funktionierte nicht besonders flüssig, und über manches Wort stolperte er.
    Gerade blätterte er eine Seite um und stieß sich mit einem Fuß vom Ast eines Baumes ab, damit sein Schaukeln nicht aufhörte.
    Irgendwo in der Nachbarschaft rief eine Mutter schrill nach ihren Kindern, die daraufhin ein lautes Geschrei veranstalteten und hinter dem Hühnerschuppen am Ende eines Gartens verschwanden. Ein Hund bellte ihnen nach.
    Erst als Krumpeters Schatten auf sein Gesicht fiel, machte der Baron die Augen auf.
    Er blinzelte in das helle Licht, und dann grinste er. „So sieht also einer aus, der sich mit einem leeren Benzinfaß in die Herzen der Leute von Fakarava gerollt hat.“ Er blickte den jungen Mann mit den semmelblonden Haaren so an, als würde er ihn zum ersten Mal sehen, und fügte dann ernsthaft hinzu: „Sie können es sich nicht vorstellen, welche Wunderdinge man sich gestern abend im ganzen Dorf von Ihnen erzählt hat. Mit einem Schlag sind Sie unter die Inselbewohner aufgenommen. Bei mir hat das damals sehr viel länger gedauert.“
    „Ich wollte nur unseren Kranken besuchen“, lenkte Krumpeter verlegen ab.
    „Von wegen krank“, protestierte Tagi und richtete sich in seiner Hängematte auf. „Ich bin schon wieder kerngesund.“ Er klappte das Buch zu. „Aufgepaßt, ich zeig’s Ihnen —“ Er ließ sich fallen, rollte sich blitzschnell zusammen und schlug einen Purzelbaum, kurz bevor er das Gras berührte. Zum Abschluß sprang er hoch und lachte über sich selber. „Kann man sagen, daß er mir das Leben gerettet hat?“ fragte er den Baron außer Atem und wie aus heiterem Himmel.
    Der Baron tat so, als müsse er sich die Antwort gründlich überlegen. „Ja, man kann es so sehen.“ Und nach einer Pause: „Ja, ich seh’ es so —“
    „Mauruuru roa, popaa“, sagte Tagi, faltete die Hände so, daß beide Daumen seine Brust berührten, und machte eine ganz kleine Verbeugung.
    Krumpeter blickte ihn verwundert an und war momentan so verwirrt, daß er knallrote Ohren bekam. „Es freut mich, daß du dich so schnell erholt hast“, stammelte er nur. Tagi hob das Buch auf, das ins Gras gefallen war, und ging ins Haus.
    „Ich lasse mir für mein Leben gern vorlesen“, sagte der Baron, „und Tagi lernt dabei immer besser französisch.“ Er drehte sich um, weil er sich vergewissern wollte, daß der Junge nicht mehr zuhören konnte. „Sie müssen wissen —er blickte sich ein zweites Mal um, also, ich war komplett von den Socken, als er sich vorhin verbeugt hat.“ Er schüttelte den Kopf und machte eine Pause, in der er seine Pfeife herausholte. „Sonst — will sagen — im allgemeinen verbeugen sich die Eingeborenen nur, wenn sie ihren Göttern opfern. Vor einem anderen Menschen um nichts in der Welt. Dazu sind sie viel zu stolz –“ Er brach mitten im Satz ab, weil Tagi aus dem Haus zurückkam.
    „Ich verdrück’ mich ins Dorf“, verkündete der Junge. Er zog sich im Gehen ein zitronengelbes T-Shirt über den Kopf. Als sein Gesicht wieder aus dem Hemd herauskam, zwinkerte er vergnügt zu Krumpeter hinüber. „Außerdem hat mir der Baron gesagt, daß er unter vier Augen mit Ihnen sprechen muß.“ Er zwinkerte aufs neue und ging los. Aber schon nach ein paar Schritten blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. „Übrigens, diese Riesenmuschel hol’ ich mir noch, das ist so sicher wie der Sonnenuntergang. Bestimmt hat sie den Bauch voller Perlen.“
    Als die beiden Männer dann allein waren, forderte der Baron seinen Gast auf, sich doch einen Stuhl zu holen oder sich wenigstens in die Hängematte zu setzen. Er selbst schwang seine langen Beine über die Seitenlehne seines Sessels.
    „Ich hab’ mir natürlich so meine Gedanken über Sie gemacht.“
    Er brauchte drei Streichhölzer, um seiner Pfeife Feuer zu geben.
    Krumpeter pendelte inzwischen in der Hängematte hin und her und ließ seine Füße baumeln. Er zauberte sich mühsam Gleichgültigkeit ins Gesicht. In Wirklichkeit hatte sich sein Körper gespannt, und sein Adrenalinspiegel war in die Höhe geschossen. Er war fest entschlossen, nicht in die Falle zu gehen, die ihm der Baron vielleicht stellen würde.
    „Lieber junger Freund“, fing der Mann im Sessel das Gespräch

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