Die Spur fuehrt nach Tahiti
das defekte Aggregat im Gemeinschaftshaus. Schon seit einiger Zeit war ein Teil des Dorfes ohne Licht.
Aber mit dem Schiff kam auch Post aus Papeete.
Monsieur Daniel, der Portier vom Hotel „Nahoata“, hatte die Berliner Zeitungen zu einem Paket zusammengeschnürt, und Huru-Huru brachte es mit, als er vom Pier und aus dem Dorf ins „Trois fleurs“ zurückkam.
In der Zwischenzeit hatte sich Krumpeter vom Baron verabschiedet. Sie waren zuvor noch eine ganze Weile bei blendender Stimmung zusammengewesen, und dabei hatte Ekke versichert, daß er das Angebot mit Freuden annehmen würde, vorausgesetzt, daß Tagi tatsächlich und von Herzen mitmachen wollte.
Jetzt trabte er mit dem Paket aus Papeete unter dem Arm durch den Sand zum Strand hinüber. Das Herz schlug ihm bis zum Hals vor lauter Neugier, und er wollte beim Lesen allein sein.
Das war er dann auch. Er legte sich auf den Bauch in den Sand und machte das Paket auf.
Das Meer gurgelte an die Felsen des Riffs, und vom Westen her wehte eine ganz leichte Brise.
In allen Berliner Montagszeitungen nach dem Besuch der Queen gehörten die Schlagzeilen auf den ersten Seiten dem Raub im„Kaufhaus des Westens“. Die Presse hatte ihre Sensation gehabt.
„FRECHES GANGSTERSTÜCK BEI QUEEN-BESUCH“
„ÜBER ZWEI MILLIONEN AUS WARENHAUS STIBITZT“
„TRESOR AUFGEMACHT WIE EINE DOSE ÖLSARDINEN“
„EIN GELDRAUB ZUM SCHMUNZELN“
In den Artikeln, die zu diesen knalligen Schlagzeilen gehörten, wurde mehr belustigt als empört berichtet, was an jenem Sonntag passiert war.
„ Frechen Gaunern gelang ein Millionending, während die gesamte Berliner Polizei bis zum letzten Mann für die Sicherheit der englischen Königin abkommandiert war –“
„- offensichtlich hatten sich die tollkühnen, und man muß sagen, intelligenten Gangster tags zuvor im Warenhaus einschließen lassen –“
„- und als die Queen unter den Klängen der britischen Nationalhymne durch ein jubelndes Menschenspalier am ,Kaufhaus des Westens’ vorbeifuhr, da muß es passiert sein. Jedenfalls hat niemand etwas von der Sprengung des Tresors gehört –“
„- und was die Täter betrifft, tappt die Polizei noch völlig im dunkeln —“
„- inzwischen hat die Kripo ihr bestes Stück aus der Schublade geholt: Hauptkommissar Papenbrock, der bei seinen Kollegen ,der Fuchs’ heißt und den die Unterwelt mit Respekt ,Kommissar Schlitzohr’ nennt. Er leitet seit heute ein Sonderdezernat, das den Raub aufklären soll –“
Auch in den Dienstagszeitungen war das Zweimillionending noch Thema Nummer eins.
Aber bereits am Mittwoch rutschte die Story auf die Innenseiten, und am Donnerstag schien sie schon vergessen zu sein.
Ekke Krumpeter las die Zeitungen noch ein zweites Mal, und er freute sich über die Artikel und die Schlagzeilen wie ein Schauspieler über besonders gute Kritiken.
Er richtete sich auf, legte seine Arme um die Knie und entdeckte dann in der Palme neben ihm ein paar Kokosnüsse. Sie schwankten ganz leicht im Wind und würden wohl bald herunterfallen.
Es ist so schön, daß es schon wieder traurig ist, dachte Krumpeter und las die Zeitungen zum dritten Mal. Anschließend faltete er sie zusammen und zerriß sie sehr sorgfältig in viele kleine Schnipsel, die er dann nach und nach vom Riff herunter ins Meer flattern ließ.
Es sah aus einiger Entfernung so aus, als würde er Fische füttern.
Daß man seinen Kumpel Manni Zasche inzwischen geschnappt hatte, das ahnte er nicht.
Die letzte nachgeschickte Zeitung war vom Donnerstag der vergangenen Woche, und die Sache mit Hauptkommissar Papenbrock vor dem Waschsalon in Berlin war erst am Freitag passiert.
Der Häftling Nummer 105
Vier Jahre und ein paar Monate später.
Nach Tagen der Hitze, in denen die Sonne die Straßen durchgeglüht hatte und die Luft völlig stillgestanden war, hatte sich am Morgen der Himmel über Berlin in Null Komma nichts verdunkelt, und fast gleichzeitig war Sturm aufgekommen.
Um die Mittagszeit fing es dann zu regnen an. Zunächst in Steglitz und Wilmersdorf. Aber gleich darauf fielen auch in Moabit die ersten dicken Regentropfen in die Straßen und wenig später, vom Wind schräg getrieben, auf die Dächer und in die leeren Höfe der Strafvollzugsanstalt.
Die Zellentüren im Block D standen offen.
Es war kurz vor der Essensausgabe.
Man konnte am Ende des langen Ganges schon die Lifts hören, die von unten heraufkamen, wie ihre Türen aufgeschlagen und die Wagen mit den Metallkübeln auf
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