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Die Spur fuehrt nach Tahiti

Die Spur fuehrt nach Tahiti

Titel: Die Spur fuehrt nach Tahiti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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den Betonboden gekarrt wurden.
    Wie an jedem Donnerstag würde es auch heute Bohnengemüse geben, ein Stück Kochfleisch und ein paar Löffel Apfelmus. Donnerstag gab es immer Bohnen, Kochfleisch und Apfelmus.
    Der Häftling mit der Nummer 105 lag reglos auf seinem Bett. Nur seine Augen bewegten sich und verfolgten eine Fliege, die er zu fangen versuchte, sobald sie vom vergitterten Fenster her in seine Nähe kam.
    Er hörte die Schritte von draußen erst, als sie zu ihm in die Zelle hereinkamen.
    „Es ist soweit“, sagte Wachtmeister Finke, und weil draußen der Himmel inzwischen ganz dunkel geworden war, knipste er das Licht an. Er war ein Mann so um die fünfzig, hatte zu Hause eine Familie mit drei Kindern und einen Bauchansatz unter der Uniformjacke. Und unter dem rechten Arm seine Pistole am Ledergürtel.
    Der Häftling warf mit einem Ruck die Decke zurück, setzte sich auf, zog die Knie an die Brust, umklammerte die Beine und hob langsam den Kopf.
    Eine ganze Weile sahen sich die beiden an, ohne ein Wort zu sagen.
    „Komm schon mit“, sagte Wachtmeister Finke schließlich. Der Mann auf dem Bett angelte nach einer grauen Drillichjacke, die über einem Stuhl hing, zog sie an und stand dabei auf. Dann fuhr er sich mit den Fingern durch seine hellblonden Haare. Er war schlank und gut und gern einen Kopf größer als der Gefängniswärter.
    Auf dem Weg zum Verwaltungstrakt kamen sie an der Zentrale vorbei, die auf ihren Monitoren rund um die Uhr jede Bewegung in den Gängen und auf den Treppen unter Kontrolle hatte.
    Genau sechsmal ging es durch eiserne Gittertore, die der Gefängnisbeamte aufschließen mußte und, nachdem sie durchgegangen waren, wieder hinter sich zuschloß.
    Der Korridor nach der letzten Tür hatte helle Wände, an denen neben den Fahndungsplakaten ein paar geschmacklose Landschaftsbilder hingen.
    In der Mitte des Flurs blieb der Gefängniswärter stehen und zupfte seine Krawatte zurecht .
    „Herein“, antwortete von drinnen eine Stimme, nachdem Finke an die Tür geklopft hatte.
    Er ließ den Häftling an sich vorbei zuerst eintreten, damit er ihn im Auge behielt. So verlangte es die Dienstvorschrift. Dann nahm er die Brust heraus und hob den Kopf: „Manfred Zasche, Nummer 105 vom Block D, Herr Direktor.“
    „Danke, Wachtmeister, und lassen Sie uns jetzt allein. Vielleicht trinken Sie in der Kantine einen Kaffee, bis es soweit ist. Ich kann Sie ja dann über den Lautsprecher ausrufen lassen.“
    „Gut, ich warte da.“
    Finke drehte sich um und verschwand.
    „Na, wie fühlt man sich so am Tag aller Tage?“ fragte der Mann hinter dem riesigen Schreibtisch, als sie allein waren. Neben seinem linken Ellbogen wucherte eine Telefonanlage mit drei Apparaten, und ganz sicher war irgendwo in seiner Nähe eine Alarmanlage installiert, mit Druckknöpfen unter der Tischplatte oder am Boden in der Reichweite seiner Füße.
    Der Gefängnisdirektor las in einer Akte, die aufgeschlagen vor ihm lag.
    „Jeder Häftling hat vor seiner Entlassung Anspruch auf eine Art Abschiedsgespräch mit dem Leiter der Haftanstalt. So steht es in der Gefängnisordnung, und die ist Ihnen ja wohl bekannt.“ Er hatte bisher nur ein einziges Mal über den Rand seiner Brille geschielt, und zwar in dem Augenblick, als Manfred Zasche an Wachtmeister Finke vorbei ins Zimmer gekommen war. Auch jetzt hatte er nicht aufgeblickt.
    „Verschwenden Sie mit mir keine Zeit, Herr Direktor, man kriegt sie nicht zurück“, bemerkte der Häftling seelenruhig. Er stand da in seiner ganzen Länge und die Hände auf dem Rücken. „Sie können es bei mir kurz machen, ich sehe ja, wie beschäftigt Sie sind —“
    „Beschäftigt mit Ihnen, Häftling Nummer hundertfünf“, unterbrach ihn der Direktor. „Ich habe mir bereits gestern Ihre Papiere aus der Registratur kommen lassen. Gedulden Sie sich noch ein paar Minuten, ich bin gleich durch damit.“ Er hatte nur so vor sich hin gemurmelt und dabei unentwegt weitergelesen. „Mannometer, das ist ja ganz schön spannend.“ Er befeuchtete seinen Daumen und war zum Umblättern bereit. „Zwischendurch könnte man sich allerdings auch kugeln vor Lachen.“
    „Na, ich danke“, bemerkte der Häftling trocken. Er wippte leicht auf den Fußballen, und der Holzboden quietschte ein wenig. „Viereinhalb Jahre Knast sind nicht so lustig, daß man sich vor Lachen darüber kugeln könnte.“ Manfred Zasche hatte bereits seine Zivilkleidung an. Sie roch nach der langen Zeit in der

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