Die Spur fuehrt nach Tahiti
wiederholte er nachdrücklich.
„Das ist mir ein paar Stockwerke zu hoch“, seufzte die Dame. „Aber wenn ich durch dieses Tohuwabohu einen Tag für mein Leben gewinne, soll’s mir recht sein.“
„Auf der Rückreise müssen Sie ihn wieder hergeben“, bemerkte ihr Nachbar. „Und unter uns, für mich ist diese Verwirrung ein echtes Problem.“ Er zupfte sich immer wieder nervös an seinem Ohrläppchen, wenn er sprach. „Sehen Sie, ich muß dringend ein paar Anrufe erledigen, wenn wir gelandet sind. Doch bei diesem Zeitsalat hab’ ich keine Ahnung, ob mein Büro in Hamburg gerade auf den Beinen ist oder auf dem Ohr liegt.“
„Prost, schöne Ferien“, meinte die Frau mit den Emailreifen trocken. „Warum machen Sie nicht in einer Telefonzelle Urlaub?“
Etwa eine Stunde später gab der Flugkapitän bekannt, daß man momentan den Äquator überqueren würde. Aber weil er wußte, daß die meisten Passagiere schliefen, sagte er es nur ganz leise. Und es wurde an Bord auch weitergeschlafen, als es hinterher an den Fidschiinseln vorbeiging. Aber man hätte vor den Fenstern ja sowieso nur Wolken sehen können und den dunklen Himmel.
Wieder ein paar Stunden später war es dann soweit.
Die Maschine tauchte mit ihrer Nase in die Wolkenbank und glitt in einen klaren morgendlichen Himmel, von dem sich die Sterne gerade verabschiedeten.
Ekke Krumpeter ließ sich zurücksinken. Jetzt trieben nur noch einzelne Wolkenfetzen vor dem Fenster vorbei, und er konnte den Ozean mit seinen Schaumkronen erkennen, schließlich die ersten Strände der Insel, und dann schwebte das Flugzeug über den grünen Teppich eines Dschungels.
Das Donnern der vier Triebwerke wurde lauter, langsam stellten sich auf den Tragflächen die Landeklappen auf, und dann war wieder einmal das Rumpeln des Fahrwerks zu hören.
Als die Air-France-Maschine nach der Landung ausrollte, konnte Ekke Krumpeter von seinem Platz aus lediglich das leere Flugfeld sehen. An seinem Rand allerdings den ersten Palmenwald seines Lebens. Das Flugplatzgebäude mußte auf der anderen Seite liegen. Und es war gut so, daß ihm der Blick nach dort vorerst erspart blieb.
Die Dame neben ihm war seit einer ganzen Weile still dagesessen, die Hände auf ihrer Handtasche und mit ihren Gedanken beschäftigt. Jetzt hob sie ruckartig den Kopf, als hätte sich eine Fliege auf ihre Nase gesetzt und sie aufgeweckt. „Das mit dieser lausigen Datumsgrenze wird mir ewig schleierhaft bleiben“, klagte sie wie aus heiterem Himmel. Dabei löste sie mit einem ergebenen Seufzer den Sicherheitsgurt.
„Sie werden damit leben können“, besänftigte sie der Mann mit dem viereckigen Gesicht. Er stand bereits zwischen den übrigen Fluggästen neben seinem Sessel im Mittelgang.
Ekke Krumpeter war es schon seit geraumer Zeit klar geworden, daß er am wenigsten auffiel, wenn er sich gleich beim Aussteigen unter die harmlosen Touristen der Reisegruppe mischen würde.
Das tat er jetzt auch.
An der Flugzeugtür zog er den Kopf ein, um mit seinen einmeterneunzig nicht anzustoßen. Als er sich draußen wieder aufrichtete, traf ihn die Hitze wie ein Hammerschlag.
Und ein zweiter Schlag kam gleich hinterher.
Unten an der Gangway war nämlich der Teufel los. Dort drängten sich trotz der frühen Morgenstunden ein paar Hundert mehr oder weniger dunkelhäutiger Menschen gegen die Absperrung der Polizei. Eine Musikkapelle stand mit ihren Instrumenten parat, ein paar Dutzend Fotografen hatten ihre Apparate schußbereit vor den Augen, und eine Fernsehkamera zielte mit ihrem Objektiv direkt in die Richtung von Ekke Krumpeter.
Mannomann, das hat mir gerade noch gefehlt, schoß es ihm durch den Kopf, daß ich zufällig auf ein Bild komme, das um die halbe Welt wandert und womöglich bis in eine Berliner Zeitung. Das kann doch nicht wahr sein!
Nein, das gefiel ihm nicht, das gefiel ihm überhaupt nicht. Das war nicht gut.
Schon eine Viertelstunde später sollte er da anderer Meinung sein.
„Welch ein reizender Empfang“, bemerkte eine Touristin, die vermutlich aus Köln oder Düsseldorf kam.
„Irrtum, gnädige Frau“, widersprach ein junger Bursche. Er hatte einen Bürstenschnitt und steckte in einem knallfarbigen Bermudahemd. „Wetten, daß die Fußballer gemeint sind?“
Selbstverständlich war es auch so.
Aber die tahitische Nationalmannschaft ließ sich Zeit und versteckte sich vorerst noch im Rumpf des Flugzeug . Vermutlich wartete sie, bis alle Passagiere die Gangway hinabgeklettert
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