Die Staatsanwältin - Thriller
erheben lassen. Wir würden zumindest beweisen müssen, dass Caleb Tate Zugang zu den Medikamenten hatte, die man in Rikkis Blut gefunden hatte, und wir würden ein starkes Motiv nachweisen müssen. Vielleicht hatte Calebs Geliebte etwas von ihm verlangt. Vielleicht hatte Rikki mit Scheidung gedroht. Vielleicht hatte Caleb nur genug von einem verbrauchten, drogenabhängigen Showgirl gehabt.
Ich suchte in den Dokumenten auf dem Tisch vergeblich nach einem Hinweis auf einen entscheidenden Beweis, aber ich fand keinen. Es gab allerdings einen Gegenstand in der Akte, der einen kleinen Hoffnungsschimmer in mir weckte. Rikki Tate war, was nicht überraschte, in den letzten zehn Jahren bei einem teuren Psychiater in Behandlung gewesen: Dr. Aaron Gillespie, ein Experte, den ich in ein paar Fällen von Unzurechnungsfähigkeit schon als Gerichtspsychiater herangezogen hatte, und ehemaliger Kollege meiner Mutter.
Ich rief an, um einen Termin zu vereinbaren, aber seine Assistentin stellte so viele Fragen, dass ich das Gespräch höflich beendete und auflegte. Ich zog mich für die Arbeit an, googelte seine Adresse und fuhr los, um zu sehen, ob der Doktor zu Hause war.
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15
Gillespie arbeitete in einem gemütlichen Bürokomplex, lauschig inmitten von Pinien gelegen und weniger als eine Meile vom Johns Creek Hospital entfernt. Die für Georgia typischen Backsteingebäude waren alle brandneu, mit perfekt gepflegtem Rasen und einem kleinen Teich dahinter. Der Gebäudekomplex war weit genug vom Creek Parkway zurückgesetzt, dass die Kulisse wie eine Oase der Ruhe im Verkehrschaos von Nord-Georgia wirkte.
Obwohl ich seit dem Tod meiner Mutter vor fast zwölf Jahren mit Dr. Gillespie befreundet war, war ich noch nie in seinem neuen Büro gewesen. Wie einige andere Gerichtspsychiater hatte er meine Mutter als eine Art Mentorin betrachtet. Aber im Gegensatz zu den anderen hatte er in den Tagen nach ihrem Tod den Kontakt zu mir gesucht und mich wissen lassen, er sei für mich da, wenn ich je reden wolle.
Ich hatte sein Angebot höflich abgelehnt, war aber in Kontakt geblieben. Mehrere Jahre später, als ich während des Studiums als Trainerin im Gold's Gym arbeitete, hatte mich Gillespie engagiert, dreimal die Woche mit ihm zu trainieren.
Er war glücklich verheiratet und einer der wenigen Männer, die nicht versuchten, mich während des Trainings zu beeindrucken. Eigentlich hatte er mich die meiste Zeit reden lassen, und ich arbeitete mich durch ein paar ziemlich ernste Probleme, während er Gewichte stemmte. Erst später war mir klar geworden, dass er ins Studio gekommen war, weil er wusste, dass ich zwar Therapie brauchte, aber nie einen Fuà in seine Praxis gesetzt hätte.
Ich kündigte mich bei seiner Empfangsdame an und setzte mich in sein vornehmes Wartezimmer. Gillespie hatte es hier nicht schlecht. Nach ein paar Minuten kam er mit federndem Gang heraus. Der Mann war groà â ungefähr eins neunzig â mit einem jungenhaften Gesicht, schwarzer Brille und dunklen Haaren, die er zur Seite kämmte, als sei ihm nicht klar, dass Teile davon schon vor Jahren ausgefallen waren. Er war füllig um die Mitte, und mein Training mit ihm hatte sich scheinbar nicht nachhaltig ausgewirkt.
Er verneigte sich tief, als ich aufstand, als wäre ich die Königin vonEngland. »Womit habe ich diese groÃe Ehre verdient?«, fragte er. Dann umarmte er mich.
»Hast du eine Sekunde Zeit?«
Er sah sich um, als gehöre das Büro jemand anderem. »Eigentlich habe ich jetzt einen Patienten. Geht es um einen von unseren Fällen?«
Einer der Gründe für meinen raschen Aufstieg bei der Staatsanwaltschaft war der Mann, der da vor mir stand. Gillespie war für die Staatsanwaltschaft zum Ansprechpartner für Fälle geworden, in denen es um Unzurechnungsfähigkeit ging. Die Geschworenen liebten ihn, und wir hatten ihn im Moment für drei unserer bedeutendsten Fälle engagiert.
»Können wir kurz privat reden?«, fragte ich.
Die Empfangsdame runzelte die Stirn, aber Gillespie verstand. Er führte mich in ein Büro am Ende des Flurs und schloss die Tür.
»Ich bin mit meinem Patienten in ungefähr einer halben Stunde fertig. Ich könnte meinen nächsten Termin absagen, wenn nötig«, sagte er mit besorgtem Gesichtsausdruck.
»Nein, nein, es ist nichts dergleichen. Ich wollte nur
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