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Die Staatsanwältin - Thriller

Die Staatsanwältin - Thriller

Titel: Die Staatsanwältin - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hänssler-Verlag
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Königin in ihrem mittelalterlichen Schloss.
    Nach seinem ersten Schlaganfall hatte mein Vater mehrere Stunden am Tag hier drin verbracht und Geschäftigkeit vorgetäuscht, obwohl er nicht mehr als Anwalt praktizieren konnte. Wenn ich auf dem Weg nach draußen an dem Zimmer vorbeikam, saß er nur an seinem Schreibtisch, starrte aus dem Fenster, tief in Gedanken versunken. Neben seinem Computer stand eine halb volle Tasse Kaffee und wurde kalt. Wenn ich dann abends nach Hause kam, goss ich den Kaffee in den Ausguss und stellte die Tasse in den Geschirrspüler. Manchmal standen zwei oder drei halb volle Tassen im Arbeitszimmer herum, alle offenbar vergessen und stehen gelassen.
    Am Morgen nach der Beerdigung übernahm ich seinen Platz, trank an seinem Schreibtisch Kaffee und schaute aus den Fenstern. Kinder aus der Nachbarschaft warteten an der Einfahrt in die Sackgasse auf den Schulbus, ihre Eltern standen mit ihnen dort, plauderten und genossen den schönen Frühlingsmorgen. Ich sehnte mich nach so einem normalen Leben. Und ich wünschte, mein Vater säße noch auf diesem Stuhl, selbst mit dem geschwächten Geist und der veränderten Persönlichkeit, die seinem ersten Schlaganfall gefolgt waren. Ich mühte mich ab, die Endgültigkeit des Ganzen zu erfassen – die Tatsache, dass ich ihn in diesem Haus nie wiedersehen würde, nie wieder Zuversicht und Kraft allein aus dem Wissen würde schöpfen können, dass er da war.
    Als ich meinen Kaffee ausgetrunken hatte, schüttelte ich die Melancholie ab und ging in die Rikki-Tate-Kommandozentrale. Ich nahm die Bilder von den Wänden und stellte eine Staffelei in die Ecke. An den Wänden entlang standen ein paar dekorative Tische, und die machte ich ebenfalls frei.
    Ich klebte ein paar Bilder von Rikki an eine Seitenwand und setzte mich an meinen Computer, um ihre Biografie zusammenzufassen. Das war meine besondere Perspektive, die ich in Fälle wie diesen einbrachte. Ich schaute mir alles aus der Sicht des Opfers an – studierte seine Gewohnheiten, seine Freunde und seine Persönlichkeit. Ich würde praktisch zu Rikki Tate werden, damit ich verstand, was sie dachte und wer ihren Tod gewollt hatte. Natürlich würde ich wie alle anderen auch den Verdächtigen studieren. Aber große Teile meiner Zeit würde ich auf das Opfer verwenden, etwas, auf das andere Typen von Strafverfolgern zu wenig Wert legten.
    Rikkis Leben las sich wie eine Shakespeare-Tragödie – vom Missbrauch in der Kindheit über Las Vegas, dann dem Begleitservice in Atlanta und schließlich zur Ehe mit Caleb Tate. Ich sah die Akten ihrer Zivilklagen durch, die sie eingereicht hatte im Versuch, ihre Nacktfotos aus dem Internet entfernen zu lassen. Ich las Onlineberichte über die Existenzangst, die das unter den Pornolieferanten auslöste. Ich suchte nach einer Verbindung zwischen ihnen und Caleb Tate.
    Die Polizei hatte ziemlich viel Zeit damit verbracht, Gerüchten nachzugehen, dass sowohl Rikki als auch Caleb Affären gehabt hatten. Caleb war angeblich mit einer Büroangestellten heimlich verreist. Zwei Jahre zuvor war Rikki mit einem Kerl zusammengekommen, den sie aus dem Fitnessstudio kannte. Rikkis Affäre endete kurz vor ihrer Bekehrung. Der aktuelle Stand der Beziehung zwischen Caleb und seiner Angestellten war unbekannt.
    Rikkis Krankenakten waren umfangreich, aber das meiste davon bestand aus Schönheitsoperationen und anderen Dingen ohne Bezug zu ihrem Tod. Es gab keinen Hinweis darauf, dass sie je Oxycodon, Codeinoder Promethazin verschrieben bekommen hatte. Caleb Tate hatte ein paar Jahre zuvor nach einer Operation an der Schulter ein paar Monate lang OxyContin genommen, was ein Markenname für Oxycodon war, aber er hatte das Rezept nur zweimal eingelöst.
    Caleb und Rikki hatten sicherlich ihre Probleme gehabt. Freunde berichteten von Streits, aber die Polizei wurde nie gerufen, und niemand hatte je behauptet, Caleb habe Hand an Rikki gelegt. Ihre Bekehrung hatte laut ihren Freunden aus der Kirche die Probleme nur verschärft. Rikki hatte die Mitglieder ihrer Gemeinde gebeten, für ihren Mann zu beten. Er nahm ihren Glauben nicht ernst, war sich sicher, es sei nur eine Marotte, die sich auswachsen werde.
    Ich las jede Polizeibefragung, jeden Krankenbericht und jedes Computerprotokoll in der Akte. Auf keinen Fall würde Bill Masterson mich auf der Grundlage dieser Informationen Anklage

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