Die Staatsanwältin - Thriller
dann, als Caleb sich mehr für seine Arbeit als für sie zu interessieren schien, eine Reihe von Affären mit mindestens drei verschiedenen Männern. In ihren Therapiesitzungen benutzte sie nur Vornamen, und es war schwer zu sagen, ob diese Namen echt oder erfunden waren. Gillespie hatte sie nie nach Einzelheiten ausgefragt.
Gillespies Notizen zufolge fand Caleb zwei der Affären heraus, und beide Male versprach Rikki, es sei das letzte Mal gewesen. Ungefähr anderthalb Jahre vor ihrem Tod, direkt nachdem Caleb von der zweiten Affäre erfahren hatte, begann Rikki einen Bibelkreis in der Nachbarschaft zu besuchen. SchlieÃlich ging sie dann mit einer der Frauen aus dem Kreis in einen charismatischen Gottesdienst und erfuhr auf die dramatische Art, die ihr Leben auch sonst kennzeichnete, ein radikales Errettungserlebnis. Nach dem zu urteilen, was sie Gillespie erzählte, glaubte sie, ihr neuer Glaube würde ihre Eheprobleme lösen, aber es machte alles nur schlimmer.
Im Jahr vor ihrem Tod stritt sie mit Caleb darüber, wie offen sie ihren Glauben nach drauÃen tragen solle. Als sie beschloss, die Betreiber der Internetseiten zu verklagen, die immer noch ihre Nacktfotos zeigten, riet Caleb ihr davon ab.
Der eine Eintrag, den ich aus der Sicht einer Staatsanwältin am befremdlichsten fand, war eine Notiz ungefähr drei Monate vor Rikkis Tod. Sie gab einen Anruf von Caleb Tate bei Dr. Gillespie wieder, in dem er die Sorge ausdrückte, Rikki sei wieder in ihre Drogenabhängigkeit zurückgefallen. Sie wirke, sagte Caleb Tate, die ganze Zeit weggetreten und lethargischer als je zuvor. Gillespie konfrontierte Rikki damit, und obwohl sie jeglichen Drogenkonsum abstritt, glaubte er ihr nicht.
Bei der Lektüre der Notizen war ich überrascht, wie Caleb Tate auf Rikkis Affären reagiert hatte. Er hatte ihr nicht nur einmal, sondern zweimal verziehen. Und ich hatte Schwierigkeiten, Calebs Anruf mit meiner Theorie in Einklang zu bringen. Vielleicht hatte er schon begonnen, seine Frau unter Drogen zu setzen und konstruierte ein ausgeklügeltes Alibi, aber das erschien mir ein bisschen leichtsinnig für einen Mann, der so akribisch plante wie Caleb. Ein solches Vorgehen hätte Gillespie doch nur sensibler für Anzeichen von Drogenmissbrauch gemacht. Und was wäre gewesen, wenn Gillespie Rikki in den Sitzungen zu einem Entzug überredet hätte?
Positiv war, dass von keinen Selbstmordgedanken von Rikki berichtet wurde. Und der Ablauf von Rikkis Affären konnte zweierlei bedeuten. Ja, sie zeigten Caleb als verzeihenden Ehemann. Aber sie halfen auch, ein Motiv aufzubauen. Rikki und Caleb schliefen seit zwei Jahren in getrennten Zimmern. Ihre Ehe war eine Zweckehe. Caleb hatte gern ein vorzeigbares Püppchen am Arm, wenn er zu seinen High-Society-Veranstaltungen ging. Rikki mochte die Annehmlichkeiten, die Caleb ihr bot, und genoss das gute Leben einer Hausfrau in Atlanta.
Vielleicht war Rikki eine zu teure Puppe geworden. Vielleicht hatte Caleb jemand anderen gefunden und wollte nicht noch einer dritten Exfrau ein Vermögen an Alimenten zahlen. Seine zweite Scheidung hatte ihn eine Riesensumme gekostet.
Es war fast vier Uhr morgens, als ich eine E-Mail an L. A. abschickte, in der ich ihn bat, sicherzugehen, dass die Presse keine Kopien der Therapieprotokolle in die Hände bekam.
Offen gesagt helfen sie uns nicht in dem Fall, und sie stellen Rikki in einem schlechten Licht dar. Sie hatte ein hartes Leben, und ich will sichergehen, dass wir ihren Ruf nicht mehr beeinträchtigen als wir müssen.
Ich war überrascht, eine Antwort zu bekommen, bevor ich meinen Computer herunterfahren konnte.
Ich gebe dir recht. Und jetzt schlaf ein bisschen.
Ich feuerte eine weitere E-Mail zurück:
Das musst du gerade sagen!
Drei Stunden später, als ich aufwachte und meinen Computer einschaltete, hatte die Atlanta Times schon eine Story als Sondermeldung auf ihrer Webseite: »Tates psychiatrische Krankenakte lässt auf problematische Ehe schlieÃen.«
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20
Mace James stand hinter Chris Brock, die Arme vor der Brust verschränkt. Auf der anderen Seite der kugelsicheren Scheibe sprach Antoine Marshall ins Telefon, das Gesicht nur einen halben Meter von dem Sohn der Frau entfernt, für deren Mord er verurteilt worden war. Antoine dankte Chris für sein Kommen und drückte ihm sein Mitgefühl für den Tod seines Vaters
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