Die Staatsanwältin - Thriller
Hinrichtung. Ich machte mir eine Tasse Kaffee, fütterte Justice und wappnete mich gegen die lautstarken Angriffe, die aus Antoine Marshalls Lager kommen würden. Jeder ihrer Anträge würde lächerlicher sein als der vorherige. Bill Masterson, der das Ganze schon ein, zwei Mal durchgemacht hatte, warnte mich davor, auch nur einen davon zu lesen. »Die sind verzweifelt, Jamie. Sie werden behaupten, was auch immer sie müssen, damit die Hinrichtung verschoben wird.«
Ich ignorierte seinen Rat. In den vergangenen sieben Jahren – drei Jahre als Jurastudentin und vier als Staatsanwältin – hatte ich obsessiv jede Verhandlung verfolgt, bei der Mason James und die Anwälte von Knight & Joyner ihre verschiedenen Anträge und Schriftsätze eingereicht hatten. Jedes Wort ihrer Berufungsbegründungen hatte an mirgenagt und meinen schon vorher verzweifelten Wunsch befeuert, diesen letzten Tag von Marshalls Kampf hinter mich zu bringen. Jetzt war der Tag endlich gekommen.
Zur Vorbereitung auf die Hinrichtung hatte ich viele verschiedene Reaktionen anderer Opfer gelesen, die einer solchen beigewohnt hatten. Manche beschwerten sich, der Prozess sei zu menschlich für die Monster, die solch unaussprechliche Verbrechen begangen hatten. Andere waren benommen und sprachlos. Ein paar sagten, sie bereuten es, hingegangen zu sein. Für die meisten schien die Erfahrung merkwürdig verstörend zu sein und warf mehr Fragen auf, als Antworten zu bieten. Demonstranten stilisierten die Gefangenen im Todestrakt zu Helden. Die Verurteilten erhielten Heiratsanträge von verrückten Europäerinnen. Pastoren, die sich in Gefängnissen engagierten, erzählten Geschichten von Bekehrungen in letzter Minute. Selbst die Gefängnisverwaltung umsorgte die Mörder fast den ganzen Tag und servierte ihnen alles, was sie wollten, als letzte Mahlzeit. Die letzten Worte des Verurteilten verbreiteten sich nah und fern.
Und die Opfer wurden wieder einmal vergessen.
Ich war so emotional ausgelaugt, als der Freitagmorgen kam, dass ich nicht die Energie aufbrachte, ins Fitnessstudio zu gehen. Ich duschte und war um sieben angezogen, und dann zog ich mich noch dreimal um. Ich wollte nicht Schwarz tragen, als wäre ich in Trauer. Noch wollte ich zu sehr wie eine Anwältin aussehen. Schließlich entschied ich mich für eine Kombination aus Rock und Bluse mit einem Pulli, den meine Mutter einmal getragen hatte. Ich legte eine Topazkette und passende Ohrringe an, die ihr gehört hatten.
Juristisch gesehen musste ich nicht zu der Hinrichtung gehen. Aber moralisch … das war etwas anderes. Wie konnte ich für meine Fälle im Büro die härteste Strafe fordern und in meinem Privatleben nicht zu ihrer Vollstreckung gehen und es durchziehen? Ich redete mir ein, ich sei nicht blutrünstig oder rachsüchtig, wenn ich hinging. Das war die Art, wie ich das Andenken meiner Mutter würdigte. Dies war die Art, wie ich für Gerechtigkeit stand.
Ich fragte mich, was Antoine Marshall sagen würde, wenn die Zeit kam. Er hatte meinem Bruder Chris Briefe geschrieben und davon gesprochen, wie er Jesus im Gefängnis gefunden habe und wie der Glaube sein Leben verändert habe. Er sagte, er bete jeden Tag für uns. Aber er gab nie zu, dass er meine Mutter umgebracht hatte, und ich wusste, er würde es bis ins Grab leugnen. Ich versuchte, mich darauf vorzubereiten, dass der Mann, der mich zur Waise gemacht hatte, ein letztes Mal dreist seine Unschuld beteuern würde. Ich würde durch den Einwegspiegel schauen und trotzig den Kopf schütteln.
Chris wachte um acht auf und kam herunter, um sich ein Müsli zu machen. Er hatte Amanda und ihre zwei kleinen Töchter zu Hause in Nordgeorgia gelassen, damit die Mädchen in ihrem Alltag bleiben konnten und Marshalls Hinrichtung so wenig Auswirkungen wie möglich auf sie hatte. Sogar Chris hatte ursprünglich gesagt, er werde nicht zu der Hinrichtung gehen, aber nach Dads Schlaganfall hatte er seine Meinung geändert.
Chris war grundsätzlich gegen die Todesstrafe, weil er fand, das System irre sich zu oft. Afroamerikaner wurden überproportional oft hingerichtet, und in zu vielen Fällen entlasteten DNA-Beweise Männer, die schon lange im Gefängnis saßen. Aber Chris war der Passive in der Familie, und ich hatte ihn überredet, diese Ansichten nicht öffentlich zu äußern. Ich wusste, das Rechtssystem war nicht perfekt, aber ich wusste auch, dass es diesmal richtig lag. Es musste nicht sein, dass die Presse Bruder und Schwester
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