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Die Staatsanwältin - Thriller

Die Staatsanwältin - Thriller

Titel: Die Staatsanwältin - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Siger
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Vaters ausräumen und das Haus zum Verkauf ausschreiben zu müssen.
    »Seine Zeit war gekommen«, hatte Chris im Krankenhaus gesagt. »Aber niemand kann uns die Erinnerungen nehmen.«
    Was das anging, hatte Chris recht. Also ging ich in Dads Arbeitszimmer und zog das Buch heraus, das er mir als kleines Mädchen vorgelesen hatte.
    Ich kuschelte mich damit auf die Couch, und Justice blickte bettelnd zu mir auf. Ich tätschelte das Kissen neben mir, und er sprang herauf und rollte sich neben meinen Beinen zusammen.
    Die nächsten zwei Stunden war ich wieder Daddys kleines Mädchen. Er war Atticus Finch und ich war Scout, und jedes Mal, wenn er versuchte, das Buch wegzulegen und mir zu sagen, es sei Schlafenszeit, bettelte ich ihn an, nur noch ein Kapitel von Wer die Nachtigall stört vorzulesen.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
13
    Die folgenden Tage verbrachte ich in einem Nebel von Trauer und Ungläubigkeit. In den Südstaaten gibt es eine Menge Traditionen, die unsere Hände und den Kopf in den Tagen nach einem Todesfall beschäftigen und die es uns erlauben, echte Trauer mindestens eine Woche lang von uns zu schieben. Am Tag, als mein Vater starb, arbeiteten Chris und ich den Nachruf für die Zeitung aus und machten Pläne für die Beerdigung. Am nächsten Tag halfen Chris und Amanda das Haus zu putzen, damit wir einen anständigen Empfang für Familie, Freunde und Kondolenzbesucher ausrichten konnten. Uns wurden riesige Mengen zu Essen gebracht, als wäre das Haus ein Sammellager für Katastrophenhilfsgüter und nicht das Heim einer Familie, die gerade einen geliebten Menschen verloren hatte.
    Die größte Qual waren die zwei Stunden, während denen ich die Hände der Besucher bei der Totenfeier schüttelte. Die Warteschlange reichte bis vor die Tür des Bestattungsunternehmens und schien mir unendlich lang. Als die Leute dann endlich zum Kopf der Schlange kamen, um mir die Hand zu schütteln und Chris, Amanda und ihre zwei Mädchen zu umarmen, sprachen sie mit gedämpften Stimmen und sagten mir, wie leid es ihnen täte, als hätten sie irgendwie selbst den Tod meines Vaters verursacht. Alle fühlten sich unwohl, und es war deutlich, dass sie an einer Million Orten lieber gewesen wären als hier.
    Na ja, nicht alle. Die paar Ausnahmen erhellten meinen Abend. Einer war ein alter Kommilitone von mir namens Isaiah Haywood. Er war immer respektlos gewesen, laut und unausstehlich und sah offenbar keinen Grund, eine Ausnahme zu machen, nur weil mein Vater gestorben war.
    »Danke fürs Kommen«, sagte ich zu Isaiah. Wie üblich hatte er beschlossen, der bestangezogene Mann des Abends zu sein. Er arbeitete als fest angestellter Anwalt für eine Sportagentur und verdiente anscheinend genug Geld, um sich Fünfhundert-Dollar-Anzüge leisten zu können.
    »Ich wäre auch über Glasscherben hierher gekrochen, nur um dich mal wieder in diesem schwarzen Kleid zu sehen«, sagte er. Die Bemerkung ließ mich erröten. Isaiah hatte das ganze Studium über ähnliche Bemerkungen gemacht. Ich hatte ihn jedes Mal abblitzen lassen, aber das schien ihn nicht zu stören.
    »Dein Verlust tut mir wirklich leid«, sagte Isaiah. »Er muss ein großartiger Mensch gewesen sein, wenn er so eine wunderbare Tochter großgezogen hat.«
    Ich beugte mich vor, um ihn zu umarmen. Es war eine der wenigen Umarmungen, die ich an diesem Abend mit Bedacht verteilte.
    Zwei Tage später war die Beerdigung, an der ein Großteil der Rechtsgemeinde von Atlanta teilnahm. Mein Dad war eine kleine Legende gewesen. Chris machte seine Sache bei seiner Ansprache großartig und schaffte es irgendwie, die ganze Zeit über die Beherrschung zu wahren. Wir versuchten, das Leben meines Vaters zu feiern, und im Großen und Ganzen gelang uns das auch. Ich weinte nur einmal, und das war, als ich sah, wie Chris' Mädchen, die zehnjährige Lola und die achtjährige Sophie, jede eine Rose auf den Sarg ihres Opas legten.
    Ich war gerührt von der Menge der Besucher aus der Staatsanwaltschaft. Bill Masterson war da und hatte anscheinend verfügt, dass alle, die nicht vor Gericht mussten, auch kommen sollten. Sie besetzten zwei volle Reihen, und es war herzerwärmend, wie die Staatsanwälte einem Strafverteidiger ihren Respekt zollten, der ihnen meistens ein Stachel im Fleisch gewesen war.
    Zum Ende der Feier war ich ausgelaugt vom Schmerz und vom Protokoll und wollte nur noch allein sein. Aber das war nicht möglich, denn ich wohnte im Haus meiner Eltern, wo wir den Empfang abhielten.

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