Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Schlaumeier von Kultusminister weiß ja alles besser. Spielt der Opposition in die Hände und merkt es nicht mal!“
Sein Blick nahm einen sehnsüchtigen Ausdruck an. Dann seufzte er: „Mein Gott wäre das Leben ohne Opposition schön.“ „Und ohne Medien“, fügte er an Wagner gerichtet hinzu.
Jetzt bloß keine Medienschelte, dachte der und erhob sich. Das hält mein Magen nicht aus. Haders war ebenfalls aufgestanden. Der Ministerpräsident hielt ihn zurück. Wagner konnte nur mühsam ein Stöhnen unterdrücken.
„Dass ich es nicht vergesse, Haders. Rufen Sie umgehend eine Personalversammlung ein. Machen Sie unseren Leuten klar, dass ich keine Interviews zum Mordfall wünsche. Wer sich darüber hinwegsetzt, findet sich bei der Landesschulbehörde in Lüneburg oder beim Hafenamt in Aurich wieder. Jedenfalls weit weg von der Landeshauptstadt und der Staatskanzlei. Und die Leute sollen vorsichtig mit Äußerungen gegenüber der Polizei sein. Traue denen nicht über den Weg. Viel zu viele aus der anderen Fraktion darunter.“
Haders nickte geflissentlich. Mitarbeiter, die den Oppositionsparteien nahestanden, waren auch ihm ein Dorn im Auge. Den prüfenden Blick des Chefs auf sich gerichtet, wollte Wagner einen Kommentar abgeben. Es ging nicht. Eine heftige Welle von Übelkeit erfasste ihn. Ohne auf seine beiden Vorgesetzten zu achten, rannte er aus dem Büro. Mit Mühe schaffte er es zur Toilette im Kellergeschoss. Nachdem er sich übergeben hatte, ließ die Übelkeit nach, die pochenden Schmerzen hinter seiner Stirn nicht.
Als er kurz darauf nach draußen kam, schnappte er gierig nach Luft. Der Dienstwagen war verschwunden, der Staatssekretär hatte ihn zurückgelassen. Sein Mantel hing im Büro in der Staatskanzlei, er würde trotz der Kälte im Anzug zur Straßenbahnhaltestelle gehen müssen. Einen Moment lang überlegte Wagner, wieder ins Gästehaus zu gehen. Der Cheffahrer könnte ihn in die Staatskanzlei fahren. In diesen Dingen war der Ministerpräsident großzügig. Nein, beschloss er, besser nicht dem Regierungschef in diesem erbärmlichen Zustand unter die Augen treten. Außerdem fühlte er sich außerstande, ihm klarzumachen, was sein „bester Mitarbeiter“ hinter seinem Rücken getrieben hatte. Überbringer schlechter Nachrichten hatten kein einfaches Spiel beim Ministerpräsidenten. Und einen der berühmt-berüchtigten cholerischen Ausbrüche wollte er gerade jetzt nicht ertragen müssen. Mit ausladenden Schritten schlurfte er fröstelnd zur Straßenbahnhaltestelle.
6
M AGDEBURG
Hans Baumgart hielt es für eine Schnapsidee, sich ausgerechnet in Magdeburg zu treffen. „Auf halber Strecke“, hatte der Russe gesagt. Der ICE von Hannover nach Berlin wäre bequemer gewesen als die Fahrt auf der immerzu verstopften Autobahn. Schon auf der Höhe vom Hämelerwald hatte es den ersten Stau gegeben, den zweiten beim Autobahnkreuz Braunschweig. Und obwohl er mit einer halben Stunde Verspätung in Magdeburg eintraf, war Boris Milner noch nicht da.
Im Foyer des Kongresshotels am Stadtrand war um diese Zeit nicht viel los. Nur zwei der Korbsessel waren belegt. Ein südländisch aussehender Geschäftsmann hämmerte mit wild entschlossener Miene auf seinen Laptop ein. Der Kellner näherte sich und nahm Baumgarts Bestellung entgegen: Kamillentee. Sein Magen machte ihm zu schaffen. Er musste dringend zum Arzt, fand einfach nicht die Zeit dazu. Die Geschäfte liefen so gut wie lange nicht mehr und erforderten seine Anwesenheit.
Als der Tee serviert wurde, erschien Boris Milner. „Für mich einen Cappuccino“, bellte er den Kellner an, noch bevor er Baumgart gegenüber Platz nahm. Er schimpfte über die Baustellen und die Laster aus Osteuropa, die die Autobahnen verstopften.
Baumgart verzichtete darauf, ihn daran zu erinnern, dass er Berlin vorgeschlagen und Milner auf einem Treffen auf neutralem Boden bestanden hatte. Neutraler Boden, so ein Quatsch. Der Kerl konnte seine KGB-Vergangenheit nicht ablegen und kapierte nicht, dass in Deutschland andere Spielregeln herrschten als in einem Bolschewikenstaat.
Dann kam der Russe zur Sache. Baumgart hörte ihm aufmerksam zu. Der Kerl mochte ein ungehobelter Banause sein, aber vom Geldverdienen verstand er eine Menge. Und sein Plan war genial, geradezu eine Gelddruckmaschine. Und Geld verdienen war für Baumgart wichtiger als alles andere. Liebe, Familie, Freundschaft oder Sex, für andere Menschen mochte das wichtig sein, für ihn zählte, was unterm Strich auf
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