Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Frau zitterten. „Ist ja auch egal, es geht nicht um mich. Es geht um ihn, mal wieder. Das war unser ganzes Leben so. Immer ging es um ihn. Mein Mann hat mich vor drei Jahren nach neunzehn Jahren Ehe von heute auf morgen abserviert. Wegen einer Investmentbankerin. Er hat mich auch vorher gelegentlich betrogen, dieses Mal war es ihm ernst. Für mich war das kein Zuckerschlecken. Plötzlich musste ich wieder arbeiten gehen. Und dann der Umzug aus unserem schönen Haus in Hemmingen in diese ungepflegte Multikultiwohnanlage. Als Deutsche bist du hier in gnadenloser Minderheit. Meine Tochter ist sogar einmal von jugendlichen Ausländern als Nazi-Schlampe beschimpft worden. Dabei hat sie mit dem braunen Gesindel nichts am Hut. Zumindest ihr zuliebe hätte er uns mehr Unterhalt zahlen müssen.“
Der Blick ihres Gegenübers wanderte unschlüssig durchs Zimmer, blieb dann an Verena hängen. Während sie ihren Bademantelgürtel enger zog, sagte sie: „Man fühlt sich so minderwertig wie ein ausgelatschter Schuh, der in die Altkleidersammlung wandert. Wenn Sie verstehen, was ich meine.“
Verena verstand nur zu gut. Sie wollte, es wäre anders. Sie war sich so sicher gewissen, mit Franz zusammen alt zu werden. Für sie war es die große Liebe gewesen. Niemals hätte sie geglaubt, dass er sie wegen einer anderen verlassen würde.
„Er hat Sie schlecht behandelt und Sie haben sich seinen Tod gewünscht?“
Ihr Gegenüber zögerte. „Es war so verdammt ungerecht. Obwohl Großverdiener, hat er uns gezwungen, in dieser armseligen Behausung zu leben und jeden Cent dreimal umzudrehen. Als er noch studiert hat, habe ich für uns beide gearbeitet. Dann war er endlich fertig und prompt kam Karla zur Welt. Ich habe mich um Haus und Familie gekümmert, während er Karriere gemacht hat. Das alte Lied. Und dann kehrte er den Geizhals heraus.“
Die Offenheit der Frau erstaunte Verena. Oder steckte Kalkül dahinter? Frau Heise warf einen hektischen Blick auf die Uhr. „Ich muss Karla aus der Schule abholen. Womöglich hat sie es bereits erfahren. Die Kinder haben ja heutzutage alle Handys mit Internetzugang.“
Verena wäre gerne zur Toilette gegangen. Schon mit dem ersten Gespräch hatte die Frau sich auf die Liste der Verdächtigen katapultiert. Allerdings zitterten ihre Hände und der Täter hatte zwei gut platzierte Schüsse abgegeben. Aber dafür konnte es eine Erklärung geben. Im Badezimmer gab es tausend Gelegenheiten, DNA-Spuren sicherzustellen. Das hat Zeit bis morgen, nahm sie sich vor.
Verena griff nach ihrer Tasche und stand auf. „Wenn Sie einverstanden sind, komme ich morgen wieder. Wir haben eine Sonderkommission eingerichtet, die ich leite. Für uns sind alle Hinweise wichtig. Denken Sie daher bitte nach, ob Ihnen etwas einfällt, das uns zum Täter führen könnte. Soll ich Sie zur Schule fahren?“
Frau Heise lehnte dankend ab und versprach, gründlich nachzudenken. Als die Wohnungstür hinter ihr ins Schloss fiel, streckte der alte Herr von nebenan seinen noch immer ungekämmten Kopf aus der Tür. „Hab Ihnen doch gesagt, dass die da ist. Die Wohnungen sind hellhörig. Alles Schrott.“
Verena unterdrückte ihr Unbehagen, ging auf den Alten zu und stellte sich vor. Der Geruch, der ihr entgegenschlug, raubte ihr den Atem. Es musste Monate her sein, dass sein Körper mit Wasser und Seife in Berührung gekommen war. Dumpfe, rot unterlaufene Augen musterten sie. „Geht es um den Mord, über den im Radio berichtet wird?“
Sie bestätigte das, ging einen Schritt zurück. Der Alte schien nichts zu merken. „Ich habe hier nie Männer gesehen.“
„Ich bin in Eile, morgen komme ich wieder. Dann reden wir“, versprach sie und hoffte im Stillen, dass er sich bis dahin waschen und frische Klamotten anziehen würde.
Ein Umweg über das Institut für Rechtsmedizin an der Medizinischen Hochschule würde hoffentlich mehr Klarheit über das Mordgeschehen schaffen. Der Rechtsmediziner kam ihr auf dem Parkplatz entgegen. Wie immer war Muench in Eile. Er wurde zu Hause erwartet, seine schulpflichtige Tochter litt an einer Magen-Darm-Krankheit und seine Frau war im Büro unabkömmlich. Im gehetzten Tonfall versprach er ihr, seinen Bericht spätestens in zwei Tagen abzuliefern.
8
Das erst kürzlich aufwendig umgebaute, lichtdurchflutete Foyer der Staatskanzlei war voller Menschen. Fast alle der an die zweihundert Mitarbeiter waren der Einladung des Staatssekretärs gefolgt. Trotz der vielen Menschen war der Lärmpegel
Weitere Kostenlose Bücher