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Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Titel: Die Stachelbeerstraeucher von Saigon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Zimmerschied
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Hobby.
    I dua Dackelzumpferl sammeln.
    Wia ich ihm erwisch, schneid ich ihm ab.
    Meistens nachts.
    Gestern hob i mein hundertstn gschnittn,
    im Siebzehnten,
    Hinterhof,
    Rosensteingossn.
    Ein Prachtstück.
    Jo, das ist meine Passion.
    I bin a Dackelsacklsammler.
    Ein Hobby.
    Ja, blutig, schon,
    owa de meisten Hunderl schaffens eh no ins Haus.
    Grausam, ja, das stimmt mich auch traurig.
    Oft muaß so ein armes Viecherl verbluten,
    weil ’s Herrle beim Tarockian is
    und den Hund nicht ordentlich verwahrt.
    Das ist bitter, ja.
    Owa so is unsa Gsöschaft.
    Rücksichtslos.
    Grausam.
    Immer wieder reißt es den schweren Kopf nach hinten.
    Er will nicht vorne bleiben in dieser schiefen Sitz- und Kauerstellung.
    Er scheint fliehen zu wollen.
    Aber es gibt keine Gnade.
    Das Grauen durchdringt den Bewusstseinsnebel in fränkischer Diktion.
    Ich bin Günther,
    die Bestie von Hersbruck.
    Aber ich bin doch kein Islamist.
    So ein Individualmord,
    des ist ja ganz was anners,
    des ist ja ein Mord Auge in Auge,
    da wird die Würde des Opfers gewahrt,
    indem sich der Mörder vorstellt
    und socht:
    Ja, i c h will d i c h murksen.
    Des ist ein mündlicher Vertroch,
    ganz was anners,
    als wenn ich,
    anonym,
    mit am Brief die Bakterie verschicke.
    Des ist verwerflich.
    Des sind diese abartigen, kranken Hirne, die die Welt bedrohen.
    Des sind die Perversen.
    Pause
    Gut, ich gebs zu,
    ich hab an klaan Tick,
    ich würch halt gern.
    Des hängt mit meiner Kindheit zam.
    Mia warn halt a ganz normale Arbeiterfamilie.
    beseelt
    Wenn die Gurgel knackt,
    des Augenlicht bricht,
    die Tante noch a weng zappelt
    und dann a Ruh is,
    dann fühl i mich einfach geborgen.
    Und mei Sozialprognose is günstig.
    Die mocht da Peter,
    der hat a lang bei da Mama gwohnt
    und is jetzt Therapeut.
    Der glaubt an des Gute im Günther.
    Owa i bin doch ka Asylantensau
    und schpreng unschuldige Leut in d’Luft.
    Ich reiße die Augen auf.
    Ich sehe eine Person mit Mikrophon durch dunkle Gänge streifen, in Räume mit schummrigem Licht treten.
    Ich sehe eine zweite Person, die sie mit einer Kamera begleitet.
    Meine Damen und Herren, hier ist wieder » Tele fäkal « ,
    hier ist wieder Britta von Tiefensee,
    und hier ist wieder ein neues heißes Eisen,
    ein Tabu, das es zu brechen gilt.
    Sie haben eine Person gestellt und fragen sie nach dem Namen.
    Das ist also Hubert, und Sie merken bereits an der Art und Weise,
    wie Hubert auf unsere Frage geantwortet hat:
    Hubert ist anders.
    Wenn er morgens aus seinen Angstträumen erwacht und schweißgebadet in den Spiegel schaut, dann schreit es ihm entgegen:
    Du wirst nie wie all die anderen sein, du kleines perverses Schwein.
    Und wenn er dann, den Kopf gesenkt und den Hut tief ins Gesicht gezogen, durch die menschenüberfluteten Straßen zur Arbeit geht, dann muss er nicht in eines dieser tausend Gesichter schauen, die ihn herablassend und mit all der gebündelten Arroganz einer rechthaberischen Normalität mustern, denn er weiß, was sie sich angeekelt zuflüstern:
    Da ist es wieder, dieses kleine perverse Schwein.
    Wir von » Tele fäkal « sehen das anders.
    Wir glauben, dass jeder Mensch ein Recht auf seine Natur hat, dass jeder, der außerhalb der Gesellschaft steht, Verständnis braucht, jeder, und sei es noch so ein kleines perverses Schwein, so wie Hubert.
    Sie fragen Hubert, wann er es denn das erste Mal gespürt habe.
    Hubert schweigt verschämt.
    Sie fragen weiter.
    Wie ist das denn, Hubert, wenn du am Morgen bereits spürst:
    Heute ist es so weit, heute brauche ich es wieder, heute wird es wieder geschehen.
    Ist das Gier, Ohnmacht?
    Oder sogar Geilheit?
    Hubert schaut verlegen auf die langsam zerfallende Schaumkrone seines Weißbiers.
    Die Reporter wenden sich seinem Nachbarn zu.
    Wir haben natürlich auch einen Fachmann eingeladen,
    einen Spezialisten im Umgang mit kleinen perversen Schweinen,
    es ist dies Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych. Arno von Saldo.
    Herr Professor, wie hoch schätzen Sie die Dunkelziffer?
    Der Professor schweigt und wischt mit einer Serviette die Salzlettenbrösel vom Tisch.
    Meine Damen und Herren,
    Sie merken an diesen kaum wahrnehmbaren, kehlewürgenden Aussagen,
    welch großes Tabu gerade in so einer kleinen Stadt noch auf diesem Thema lastet.
    Wir von » Tele fäkal « hoffen aber dennoch, Ihnen eine weithin unterschätzte Perversion etwas nähergebracht zu haben, etwas Verständnis geweckt zu haben für Menschen, die sich verkleiden, die sich betrinken, die sich ins Dunkel verkriechen müssen,

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