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Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Titel: Die Stachelbeerstraeucher von Saigon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Zimmerschied
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geschrieben hat.
    Zu kurze Beine und eine Nase wie ein Schürhaken.
    Natürlich hat sie das büßen müssen.
    Wobei er mehrmals ausdrücklich betonte, dass er » das Gewalttätige « nicht so möge, jedoch der Rotzinger Erwin schon, und über den habe sie geschrieben, dass er aus dem Mund stinke, stottere und dabei noch in der Nase bohre.
    Fast beschwörend wies er darauf hin, auch und gerade weil es sich hier um das Jüngste Gericht handle, dass er stets abgewogen habe.
    Transparenz oder Verschwiegenheit, Zurückhaltung oder Offenheit, Wahrheit oder Verschlossenheit, das alles habe er immer bedacht, vor allem weil ihm bewusst gewesen sei, dass der Rotzinger Erwin zur Maßlosigkeit neige, wenn es um die Wahrheit ging.
    Ganz blau sei sie im Gesicht gewesen, die Maria, die Lippe aufgeplatzt, und er habe sie regelrecht beschützen müssen, da der Wlodkovsky Adi in diesen Dingen völlig humorlos gewesen sei und das Rote Kreuz sogar Sonderschichten eingelegt habe, wenn er in Stimmung kam.
    Eindringlichst habe er die Maria gebeten, vernünftig zu sein, denn es könne nicht in ihrem Sinne sein, dass der Adi erfahre, dass sie ihn für eine asoziale Drecksau halte.
    Das wollte sie dann doch nicht.
    Er habe ihr dann sogar noch das Taschentuch geschenkt für den Fall, dass die Lippen wieder aufplatzten, und dann sei die Maria in der Folgezeit sehr lieb zu ihm gewesen.
    Immer öfter.
    Außerordentlich lieb, wie er betonte und dabei wieder diesen genüsslich sentimentalen Blick bekam, der selbst von den kompetentesten Fachkollegen über die gesamte Untersuchungsdauer nicht eindeutig zugeordnet werden konnte.
    Geläutert hätte er sie.
    Man solle kein falsches Zeugnis geben wider seinen Nächsten.
    Hingeführt zum Jüngsten Tag hätte er sie.
    Damit sie hintreten könne mit reinem Herzen vor all die eschatologischen Saubären und verzupften Psalmenpfurzer.

Die Hölle und der Hendlficker Franz
    Sitzungsprotokoll 2
    So gelang es Aribert S. bereits im Alter von acht Jahren, aus jeder Beichte mehr Informationen über den Beichtvater herauszubekommen, als dieser umgekehrt Einblicke in Ariberts Sündenregister bekam.
    Dies führte in letzter Konsequenz zu einem Beichtverbot.
    So verlor der kindliche Aribert sehr früh jede Möglichkeit zur Absolution.
    Seine überdurchschnittlich entwickelten Sinnesorgane ermöglichen ihm bis heute eine intuitiv analytische Orientierung und Sondierungsfähigkeit auch in Dunkelheit und unwegsamem Gelände.
    Dies zeigte sich besonders bei der dritten Sitzung.
    Aribert S. stand lange bewegungslos im Raum.
    Man hörte nur das intensive Fließen seines Atems, und jedes Geruchspartikel, das über seine Sensoren streifte, schien ihm eine Fülle zu berichten über die Welt um ihn herum.
    Als Erstes roch er Schweiß, keinen gewöhnlichen, Angstschweiß war es, was er roch.
    Zunächst schloss er auf eine Moschee.
    Auf Mullahs und auf Gotteskrieger.
    Die hätten ebenfalls einen Jüngsten Tag.
    Die ältesten Böck ham die jüngsten Gerichte.
    Dann stellte er noch einen » miachlaten « Geruch fest, was einer dieser kaum übersetzbaren Bajuwarismen ist, der unter anderem tageübergreifende Körpersaftverdichtungen im Genitalbereich beschreibt.
    Es rieche wie schlechtes Karma, und er frage sich, ob es sich bei den Anwesenden etwa um zur Strafe als Menschen wiedergeborene Filzläuse handle.
    Dann allerdings vernahmen wir ein kurzfristig rhythmischeres, leicht irritiertes Schnüffeln, das er mit leiser Stimme analysierte.
    Einen flattertönigen, angstfurzigen Schwefelgeruch attestierte er.
    Angst, Schweiß und Schwefel.
    Das ist die Hölle.
    Das hier ist die Hölle.
    Franz?!
    Franze?!
    I bins, da Aribert.
    I hob nix gsogt, ehrlich ned.
    Des muaßtma glaum.
    Franze!?
    Des gibts ned.
    Wenn des die Hölle is, dann muaß doch da Wimmer Franze do sei.
    Da Hendlficker Franz.
    So nannte er ihn.
    Wie er als Person und auch diese bairische Sprache überhaupt in der Lage ist, auch für die grauenhaftesten Deformationen menschlicher Existenz noch poetisierende Verharmlosungen zu finden, bei denen sogar die Betroffenheit noch etwas Restkokettes hat.
    A Sodomist.
    Er war Sodomist.
    Und später dann Chorleiter.
    Und Entomologe, Schmetterlingssammler.
    Wia des geh soi?!
    Sodomist und Schmetterling.
    Ich weiß es nicht.
    Und Filialleiter bei der Sparkass war er auch.
    Schöner Tenor.
    Klar, edel.
    Ein Freund des Balletts.
    Do war nie wos, nie war do wos, dass er moi bei Frauen, unsittlich oder so,
    nicht ein einziges Mal.
    Owa, er

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