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Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Titel: Die Stachelbeerstraeucher von Saigon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Zimmerschied
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verrannt,
    jetzt denkt sich der junge wilde Dramatiker:
    Vielleicht ist im Arsch noch was?!

Ihobs findet einen Leidensbruder
    Eines Tages, in einer weiteren dieser unsäglichen Garderoben, verfiel Ihobs wieder einmal auf die Frage nach dem Menschen und fand einen Torso.
    Eine Puppe, aus Ziegenleder genäht, mit einem demolierten Schaumstoffkopf, gesichtslos, schäbig, dunkel und rau, als wäre es eine verkohlte Leiche, ein Bein und ein Arm nur halb.
    Ein Wesen, das mit viel Hingabe und Liebe einmal erschaffen worden war und dann einfach vergessen wurde.
    Zunächst vermutete Ihobs, es handle sich um einen älteren Kollegen, der dafür bekannt war, jede oszillographisch noch messbare Regung im Publikum für einen Zugaberuf zu halten, und selten vor Mitternacht die Bühne verließ.
    Er hatte es wohl nicht mitbekommen, dass das Publikum schon gegangen war, der Hausmeister abgesperrt hatte, weil er keine Überstunden bezahlt bekommt und einen frühen Termin beim Orthopäden hatte.
    Die Vermutung verstärkte sich noch, da ein Zeigefinger des Torsos welterklärend und mahnend in die Höhe ragte, denn dieser Kollege war auch dafür bekannt, dass er vor jedem Rausch dessen Ursachen erklärte, wobei in der Regel im Unklaren blieb, ob er dies aus aufklärerischen Gründen tat oder nur, um sich selbst zu gefallen.
    Dann aber entdeckte Ihobs ein großes Loch im Schädel des Torsos, und in ihm keimte der Verdacht auf, dass es sich vielleicht doch um einen Kabarettagenten handeln könnte.
    Möglicherweise hatte dieser vorgehabt, einen der erfolgreichen Fernsehkabarettisten zu betrügen, und nicht damit gerechnet, dass diese vor jeder Vorstellung penibel genau die Stühle nachzählen.
    Ein Kabarettmanager, ein Phänomen, das Ihobs für eine Bankrotterklärung seines Genres hält.
    So teilen sich in Wien mittlerweile zwei Agenturen bis zu zwanzig Modelle.
    Da wird jeder BMW -Vertreter blass.
    Da gibt es in der Mafia mehr Vielfalt.
    Schmeißfliegen, die erst kommen, wenn das Fleisch schon stinkt, und es ranzelt gewaltig in der Szene.
    Viele wüssten zwar den Geburtstag von Rosa Luxemburg, müssten sich aber die Zugverbindungen aufschreiben lassen.
    Protest auf Rädern.
    Als Ihobs dann aber das Loch im Kopf etwas genauer untersuchte, stieß er auf große Mengen Papier.
    Ebenso im Brustraum, und, so mutmaßte er dann, wenn sich in den zwei wichtigsten Regionen des Torsos nur Papier befinde, könne es sich eigentlich nur um einen Comedian handeln oder um einen jener Spaßkarrieristen, die jedem Hausmeister ihren Tourneeplan vorlesen und in Kleinkunstbörsenkabinen rumhocken wie das Busenwunder in der Herbertstraße, um sich dort von bleichen Kulturamtsleiterinnen und protestantischen Veranstalteralbinos betatschen zu lassen auf der Suche nach dem wirklichen Leben.
    Ich suche dieses Mal einen Wilden.
    Ich dachte da an einen dieser unappetitlichen Proletendarsteller aus München, bezahlbar, selbstverständlich bezahlbar.
    Etwas, das unsere Klientel wach hält und sie nicht in den Schlaf treibt gegen Ende des Abends.
    Hatten wir doch alles.
    Lutz Görner mit Heine,
    Gesine Maria Strempel mit ihrem Meditationskabarett
    und Klaus Erwin Tützeling mit augenzwinkernder Heiterkeit.
    Nein, wir suchen einen Satireaborigine.
    Ein Tier, das flucht und spuckt und sich die Genitalien krault.
    Das war er nicht.
    Nein, der Torso war tot, definitiv leblos, also ein Comedian.
    Damit gab sich Ihobs zunächst zufrieden, und er ging davon aus, dass auch Gott dies so sehe, denn das seien ja seine Lieblingsschafe, die alles abgrasen und nirgends hinscheißen.
    Je länger er den Torso aber betrachtete, umso mehr wuchsen wieder die Zweifel in ihm.
    Vielleicht hatte Gott ihm einen Begleiter geschickt, eine Prüfung?
    Einen Krüppel, der ihn an die wahren Abgründe und Verzweiflungen in dieser Welt erinnern sollte?
    Oder einen Dramaturgen?
    Der darauf achtet, dass wenn schon kübelweise Unflätigkeiten verschüttet werden, so dann wenigstens in einer künstlerisch wertvollen Form.
    Doch der Torso begann, mit einer hohen Eunuchenstimme zu sprechen, und verneinte.
    A Form, ja freilich, dass da Soach ned davorinnt, klar, a Form.
    Des gähd bei am Nochthafal.
    Owa beim Menschen gähd des ned.
    So a Kopf,
    der hod von Haus aus zwoa Löcha,
    do bleibt nix drin, und wennst deine Texte hektoliterweis eineschüttst.
    Also dann die wilde, formlose, assoziative Sprachtäterschaft, Silbenamok, Sinnverweigerung!
    So fragte Ihobs nach.
    Der Torso fistelte

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