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Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Titel: Die Stachelbeerstraeucher von Saigon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Zimmerschied
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Spitzen hängen als Trophä’n;
    aus rauem Streitlärm wurden muntre Feste.
    Der grimmge Satyr hat seine Stirn entrunzelt,
    und statt zu reiten den geharnschten Spott,
    um drohnder Gegner Seelen zu zerfetzen,
    hüpft er behend auf eine Kleinkunstbühne
    nach üppigem Gefallen aller Leute.
    Doch ich,
    zu Possenspielen nicht gemacht
    noch um zu buhlen mit verbrauchten Sprüchen.
    Ich,
    roh geprägt, entblößt von Zeitgeistmaßen
    vor leicht sich drehnden Nymphen mich zu brüsten.
    Ich,
    um das schöne Ebenmaß verkürzt,
    von der Natur um Hüften falsch betrogen,
    entstellt, verwahrlost, vor der Zeit gesandt
    in diese Welt des Atmens, halb kaum fertig gemacht,
    und dies so lahm und unansehnlich,
    dass Hunde bellen,
    hink ich dran vorbei.
    Ich nun,
    in dieser schlaffen Friedenspause,
    weiß keine Lust, die Zeit mir zu vertreiben,
    als durch die Sonne meinen Schatten sehn
    und meine eigne Missgestalt erörtern.
    Und drum,
    da ich nicht als junger Dichter
    kann kürzen mir die fein beredten Tage,
    bin ich gewillt, ein Bösewicht zu bleiben,
    und feind den eitlen Freuden dieses Abends.

Ihobs hat eine Vision und betrinkt sich
    Entgleisungen und Bewusstseinsspaltungen dieser Art bringen es manchmal mit sich, dass Ihobs sich körperlich und geistig völlig erschöpft und plötzlich eine Art Leere in ihm entsteht, die er allerdings als solche nicht anzuerkennen in der Lage ist, sondern sie als Katharsis definiert.
    Dann stilisiert er die blanke Sehnsucht zur Wirklichkeit hoch, das Defizit zur Vision.
    Und den Gekreuzigten zum Kumpan.
    Klar, du host recht.
    Angst is scheiße
    und Demut nur ihr kloana Bruder.
    Und er erinnert sich an seine erste Bühne.
    Das erste Kabarett in seiner konfliktbeladenen Heimatstadt.
    Die Bühne war ein schmuckloser Theatersaal einer Vorstadtwirtschaft in der Güterbahnhofgegend.
    Eher tschechisch als barock.
    Hinter der Bühne waren die Übungsräume der Gewichtheber, für die diese autoritätenbeschmutzenden Nichtsnutze auf der Bühne sowieso nur Kommunisten waren.
    So sausten mit krachendem und stampfendem Rhythmus oft bis in den Veranstaltungsbeginn hinein die Eisengewichte auf den Bretterboden.
    Absichtlich.
    Und einmal, als Ihobs gerade auf einer wackeligen Staffelei stand, um einen Scheinwerfer zu justieren, da trat aus dem Übungsraum ein jugendlicher Hüne von Gewichtheber auf ihn zu, ließ seine Sporttasche fallen und legte seine Hände langsam um die Sprossen der Staffelei.
    Ihobs klammerte sich an die Deckentraverse und blickte nach unten, direkt in den Killerblick des Hebers hinein.
    Dieser fixierte Ihobs und bat ihn dann mit einer hohen Stimmbruchstimme um ein Autogramm.
    Daran erinnert sich Ihobs wieder.
    Du bist a Gaudibursch.
    Da Nebel hört wahrscheinlich zwoa Meter hinterm Fenster auf.
    Da Schnee war Konfetti.
    Wenn d’Angst an Spaß zamfrisst, rengts überoi.
    Schpuin, schpuin, schpuin,
    und wenn da Deifi d’Weyd azünt.
    Des san mir.
    Schöpfer sanma und koane Wossasuppn.
    Dann nimmt er den Torso huckepack auf den Rücken und marschiert mit ihm in Gedanken los.
    Raus aus der Enge, raus aus der Garderobe.
    Zu Fuß nach München.
    Egal, ob Schnee, Graupel, Regen oder Nebel.
    Geräuschlos wie Fledermäuse lösen sich alle Beschimpften aus dem Dunkel der Nacht und begleiten ihn.
    Alle Gegner werden Brüder,
    weil das am besten Wunden heilt.
    Hinter ihm, quasi als Rückendeckung, fünf Kritiker,
    die das alles für eine interaktive Performance halten.
    Neben ihm zwanzig örtliche Veranstalter mit Rosswürsten, Kaffee und durchgewaschenen saugfähigen Handtüchern.
    Vor ihm vier wandernde Deutschlehrer, die jeden gnadenlos als Arschloch beschimpfen, der sich ihnen in den Weg stellt, und ihn mit einer Sechs in Betragen nach Hause schicken.
    Davor, als Eskorte, zehn Porsches mit Limonadetragerl auf den Beifahrersitzen.
    Ganz vorne läuft eine Antifagruppe und besprüht die Mittelstreifen mit Leuchtfarben.
    Alle helfen ihm.
    Als die Muskeln zu spannen beginnen, trinkt er einen Schluck Whisky von den Altpunks und stellt als Dankeschön die Sinnfrage.
    Und wie auf Stichwort erscheinen fünf rettende Engel in Palmersdessous.
    Kulturamtsleiterinnen, die ihn für Charles Bukowski halten und ihn massieren, die Füße, das Kreuz und mehr.
    Als sie Kaufbeuren passieren, beginnt es noch einmal zu schneien.
    Unaufhörlich.
    Die Porsches drehen durch.
    Die Lehrer wärmen die Kulturamtsleiterinnen, die Kritiker setzen die Pelzhauben auf, und die Freaks bauen einen Schneemann.
    Plötzlich aber

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