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Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Titel: Die Stachelbeerstraeucher von Saigon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Zimmerschied
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Zynismus und ihren Wein.
    Lange stierte er vor sich hin, bis ihn der Aromenstoß des ersten Schlucks aus seinem Selbstmitleid riss und ihn in geschliffenstem Sommelierdeutsch wieder abheben ließ.
    Ah, Marille, zarte Maracujatöne im Abgang, frische Säure, perlend, wie kleine Hilferufe, ideal zu einem luftigen Lawinenunglück am Frühlingsbeginn.
    Nix Schweres!
    Ja, bei am Tankerunglück, do passn die Petroltöne von am oidn Veltliner, oder wenns an Prominenten zreißt, do reagier i a kontemplativ, do brauch i a die füllige Opulenz von am Bründlmayer Chardonnay.
    In deim Wosserglasl schmeckt jeder Wein noch Senfgurken.
    Koa Wunder, dassd nur no Massenerschießungen zambringst.
    Na, wirklich ned!
    Zum Negermassaker trink i persönlich gern an Weißburgunder.
    Do brauch i de Zitrustöne.
    Den Nusston zum Schädeldeckenknackn.
    Und wenns dann ans ganz große Bluadrührn geht, dann nemma an Roten.
    Wos fia oan!?
    Wos woaß i, wia Bluad schmeckt?!
    Hobs no ned probiert, owa du saufst des jo hektorliterweis.
    Barrique wahrscheinlich.
    Armut und Elend ghean ins Hoiz.
    Hoi dir hoid an Parker auffe.
    Herunt sans froh, wenn er weida is, und du lernst wos dazua.
    Dann trank Ihobs genüsslich.
    Mehrmals.
    Schmatzte und saugte, stand auf und stolzierte, das Riedelglas zwischen Daumen und Zeigefinger, in seiner Rumpelkammer auf und ab.
    Bis seine Gourmetpose verwelkte und er in den noch stärker werdenden Regen starrte.
    Schütten!
    Des is oisse, wosd kannst.
    Eineschüttn und oweschüttn.
    Dann donnerte er das Weinglas gegen die Wand und setzte sich wieder in die Stille.

Ihobs rast gegen das Staatsschauspiel
    Manchmal gerät Ihobs in den Güte- und Verständnisdunst von gelernten Schauspielern, die seinem Abend eine enorme Lustigkeit bescheinigen und durchaus in der einen oder anderen Figur eine gewisse Tiefe feststellen.
    Nicht ohne hinzuzufügen, dass ihre Kunst die subtilere sei, dass es bei ihnen darum gehe, das Wesen auszuloten und es nicht nur zu skizzieren.
    Dann tritt er hin vor einen Spiegel, sofern er in der Garderobe einen findet.
    Und gleitet, wahrscheinlich um den kreativitätsfördernden Leidensdruck noch zu erhöhen, in die Hochsprache ab.
    Schauspielschüler!
    Diese ganze Arroganz im Bonsaiformat.
    Diese Mischung aus Inzest und Quarantäne, gehalten wie die Truthähne, absolut keimfrei.
    Einem Schauspielschüler ist es verboten, während seiner Umgestaltung Außenkontakt aufzunehmen, und ja keine Begegnung mit der Kabarettmilbe, diesem derben, vereinfachenden, in Grobgestigkeit und wildem Grimassieren endenden Krankheitserreger.
    Schauspielschulen!
    Rehabilitationszentren für künstlich erzeugte kreative Schlaganfälle.
    Dem Patienten wird gesagt:
    Du kannst nicht sprechen,
    du kannst nicht gehen,
    du kannst nicht einmal bühnenwirksam scheißen.
    Aber für einen kleinen Unkostenbeitrag lernen wir dir das, und wenn du es überlebst, dann kannst du sogar in Detmold Triumphe feiern.
    Dann kannst du sogar fechten.
    Obwohl!
    Wenn sich die Schreibkultur der jungen wilden Dramatiker noch weiterentwickelt, dann kann man den Fechtmeister bald durch einen Fickmeister ersetzen.
    Wobei Ihobs an dieser Stelle ausdrücklich feststellt, dass er diese modernen Familienstücke selbst gerne sehe.
    Dieser Blick ins Präkariat durch die Wahrnehmungsfilter beziehungsgestörter Oberschichtwaisen amüsiert ihn immer wieder.
    Es erinnert ihn immer wieder an alte Internatszeiten, wenn auf den Balkonen, unter denen früher gesungen wurde, sich nun ein lustiges Vergewaltigen ausbreite und der Fäkalwortschatz, in Form komponiert, sich über die Szenen lege wie die Betroffenheitscodes eines schmerzensreichen Rosenkranzgebets über die schlafbereite Gemeinde.
    Wenn dann debile autistische Kinder in den Hausgang urinieren, der Vater die Tochter fickt und der Großvater den Jungen, während die Mutter mit einem Pekinesen ihre 68er-Vergangenheit aufarbeitet, alle zusammen am Ende von einem Inzestmonster erschlagen werden und der Hund an die Wand genagelt wird, dann denkt Ihobs immer an den ihm bekannten jungen Schauspieler, der immer davon träumte, Richard III . zu spielen, und sich nun bereits zum fünften Mal den Arsch einölen lassen muss, weil sie schon wieder einen jungen wilden Dramatiker uraufführen.
    Der junge wilde Dramatiker muss in den Arsch hinein.
    Das ist ein Suchender.
    Ein Menschenforscher.
    Schiller und Voltaire haben im Hirn nichts gefunden,
    Tolstoi und Ibsen sind an der Seele erfroren,
    Shakespeare hat sich im Bauch

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