Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear

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kannte Kartentricks und solche Sachen. Genau wie du schloss ich mich eine Zeit lang einer Gruppe an, die hart drauf war. Irgendwann verließ ich sie wieder … Schlug mich auf der Straße durch, fing an, als Gaukler aufzutreten. Schaffte es, nicht umgebracht zu werden. Vor zwei Jahren bin ich mit einem Typ namens Burke zusammengezogen. Er arbeitet als stellvertretender Küchenchef in einem Restaurant. Wir sehen nicht viel voneinander.«
    »Seid ihr ein Paar?«
    Jack lächelte. »Nein. Burke ist so hetero, wie man überhaupt sein kann. Er wohnt nur nicht gern allein.«
    »Und du kennst die Frauen hier von früher?«
    »Ellen kenne ich ganz gut. Den anderen bin ich erst vor kurzem begegnet.«
    »Hast du diese Zeichnungen gemacht, die Miriam in deiner Wohnung … gefunden hat?«
    »Ich hab überhaupt kein Zeichentalent. Der andere hat sie gemacht, mein Besucher.«
    »Woher kommt er deiner Meinung nach?«
    » Aus der Stadt am Ende der Zeit natürlich.« Jack versuchte, sarkastisch zu klingen, doch seine Stimme brach.
    »Meine Besucherin auch. Aber als ich das letzte Mal von ihr träumte, war sie nicht dort, sondern außerhalb. An irgendeinem schrecklichen Ort und ohne jede Orientierung.«
    »Im Chaos.«
    Ginny blickte zu Boden. »Ich möchte nicht darüber reden.«
    »In Ordnung.«
    »Jack, haben die auch solche Steine wie wir?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
    »Vielleicht erwarten sie von uns, dass wir ihnen die Steine bringen.«
    »Ich wüsste nicht, wie. Sie sind dort, wir sind hier.« Er lehnte sich zurück und blickte auf einen großen Pappkarton, auf dem VALDOLID 1898 stand. »Was für Bücher sammelt Bidewell eigentlich? «
    »Alle möglichen.«
    Jack klappte die ineinandergreifenden Kartondeckel hoch und zog einen angestaubten Band heraus. Der Falz des Buches hatte Risse, und der Ledereinband hinterließ Staub auf seinen
Fingern. Auch bei diesem Buch ergaben die mit Golddruck eingeprägten Wörter auf dem Buchrücken keinen Sinn. Jack blickte auf. »Da steht nur Kauderwelsch. Ich schätze, die Steine haben noch einige Arbeit vor sich.«
    »Viele von Bidewells Büchern sahen auch vorher schon so aus. Offenbar bemerkt er trotzdem einen Unterschied.«
    »Ergibt genauso viel Sinn oder Unsinn wie alles andere.« Jack wollte das Buch schon zurücklegen, als es in seinem Arm zog, so als zerre etwas schwach an einem verborgenen Nerv. Er schlug das Buch irgendwo in der Mitte auf. Inmitten des Kauderwelschs tauchte eine Passage auf, die er lesen konnte, wenn auch nur mit Mühe:
    Danach btrat Jerem das Haus und fand dari ein Buch, das nur Kauderwelsch enthie, bi auf diese Worte: Habt Ihr noch den alten Stein, Jeremy? Bei Euch, in Eurer Tasche?
    Ginny beobachtete genau, wie sein Gesicht rot anlief, als wäre er irgendwo nackt herumgehüpft. Die Zunge ins Wangeninnere geschoben, blätterte Jack das Buch weiter durch, doch alle Folgeseiten enthielten nur Kauderwelsch.
    »Was ist damit?«, fragte sie.
    Er zeigte ihr die Seite. Als sie die Zeilen las, klappte ihr Kiefer herunter. Sie wirkte wie ein Kind, das gerade ein Gespenst gesehen hat. »Alle Bücher unterscheiden sich voneinander«, sagte sie. »Aber ich komme in keinem vor.«
    »Hast du überhaupt schon nachgesehen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Dazu war keine Zeit.«

VIERZEHN NULLEN

55
Hochwasserkanal Tenebros
    Pahtun hatte sich daran gewöhnt, in dem ewigen Zwielicht zu leben, das über den Ausläufern der Hochwasserkanäle herrschte. Nur selten stieg er in die Kalpa hinauf. Er war zufrieden damit, seinen Pflichten im weiten Tiefland zu nachzukommen, fern vom künstlichen Tageslicht der Ebenen, die er immer noch mit dem alten Namen bezeichnete, als Krähenhorst . Er war ein starker, schlanker Mann mit lebenserfahrenem, gebräuntem Gesicht, der Marschteilnehmer schon ausgebildet hatte, als es noch gar keine Nachgezüchteten der alten Art gab. Mit großen Schritten ging er am Kanalbett entlang, mit wachsamen Blicken, die Augen silbergrau. Er wusste, dass die Stadt im Sterben lag. Schon vor seiner Erzeugung hatte die Kalpa stufenweise abgebaut, und nun würde sich das Sterben vermutlich nicht mehr in die Länge ziehen.
    Unstet aufflammendes Tageslicht verteilte sich über den fernen künstlichen Himmel. Rote pulsierende Ringe flackerten um die rissigen, böse zugerichteten Stellen auf, die der Überfall hinterlassen hatte. Er hatte in den unteren Ebenen des ersten Bion gewütet, unmittelbar über dem Ort, wo sich Pathuns
Kopf derzeit befand, und die