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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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inneren Reihen der Realitätsgeneratoren«, erwiderte Pahtun. »Sie werden aktiv, wenn die äußeren Reihen ausfallen.«
    Der Boden war uneben – immer wieder von Erhebungen und Vertiefungen durchzogen, als hätte er sich unter schrecklichem Druck aufgeworfen oder gesenkt. Hin und wieder verunstalteten Narben und parallel verlaufende Furchen die ansonsten glatte Oberfläche. Vielleicht hatten Überfälle des Chaos diesen Weg gewählt, den Boden berührt … und versengt. Vor sich konnte Tiadba gerade noch den äußeren Rand des Bogengewölbes erkennen. Und noch etwas anderes: eine matt schimmernde Barriere, eine Lichtschranke.
    Während aus Minuten des Marschierens Stunden wurden, schien die Lichtschranke nicht näher zu rücken. Dennoch ließ Tiadbas Energie nicht nach. Der Schutzanzug übte eine antreibende,
elektrisierende Wirkung auf sie aus. Ihr fiel ein, was Grayne bei ihren ersten Treffen dazu gesagt hatte: Ihr könnt Tausende von Kilometern durch das wildeste, widrigste Gelände gehen, dennoch werdet ihr stark und fit bleiben, denn dieser Marsch ist die Erfüllung all dessen, was in euch liegt, das größte Abenteuer eures Lebens. Ich beneide euch.
    Nach Dutzenden von Kilometern und Stunden des Marschierens wirkte die dunkle Seite des Bogengewölbes immer noch endlos weit entfernt. Plötzlich: eine Veränderung. Die Lichtschranke schien eindeutig näher zu sein. Trotz ihrer Zweifel hob sich Tiadbas Stimmung unwillkürlich. Dahinter liegt der offene Himmel. Pahtun hatte gesagt, sie sollten sich darauf vorbereiten.
    »Helme aufsetzen und luftdicht versiegeln!«, befahl einer der Begleiter.
    Tiadba sah sich um und holte tief Luft. Die Luft – die letzte Luft der Ebenen, die sie genießen konnten – war bereits bitterkalt. Auf Tiadbas Unterlippe und rund um die Nase bildete sich Reif. Gleich darauf, wie auf einen Schlag, stülpten sich bei allen Marschteilnehmern die Teile der Helme, die bis jetzt wie hohle Fruchthüllen auf den Schultern gebaumelt hatten, über die Schädel und versiegelten sich zischend, so dass es in den Ohren knackte. Tiadbas Kopf wurde warm, und ihr Blick schärfte sich so, dass die Lichtschranke vor ihr zum Leben erwachte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie Funken sprühte.
    »Wunderbar«, sagte Perf. »Jetzt friere ich nicht mehr an den Ohren.«
    Pahtun hieß sie anhalten, während die Begleiter sich in ihrem Rücken so aufreihten, als wollten sie jeden Fluchtversuch verhindern.
    Die kapieren es nicht. Pahtun versteht es, aber die anderen begreifen überhaupt nichts!
    Unruhig traten die Marschteilnehmer von einem Bein aufs andere. Sie waren auf dem Scheitelpunkt einer besonders hohen Bodenwelle in den äußeren Fundamenten der Kalpa stehen geblieben. Plötzlich fiel die Lichtschranke auf die Stelle unmittelbar vor ihnen und wölbte sich nach innen, als wolle sie die Gruppe zurückdrängen. Die Begleiter hoben ihre Stäbe, und Pahtun beugte sich vor. »Abwarten«, sagte er. »Lauft nicht hinein. Sie wird euch von selbst finden.«
    Khren sah Tiadba durch sein Visier an. Was sie von seinem Gesicht erkennen konnte, wirkte gelassen, schicksalsergeben.
    »Abwarten«, wiederholte Pahtun. Die Marschteilnehmer fuhren in ihren Schutzanzügen zusammen, als fürchteten sie, jemand wolle sie packen und verschlingen.
    Obwohl die Lichtschranke sich nicht sichtbar bewegt hatte, befand sie sich plötzlich im Rücken der Gruppe. Sie hatten sie durchquert, ohne einen einzigen Schritt zu tun, und sahen jetzt weitere Kilometer unebenen Geländes vor sich. Und dahinter eine mit riesigen Objekten bestückte Mauer: die Verteidiger der Kalpa.
    Die letzte, äußere Reihe von Realitätsgeneratoren.
    Jenseits dieser verschwommenen, hoch aufragenden Silhouette lag die Zwischenzone, die Zone der Lügen. Tiadba blickte nach oben: Sie befanden sich jetzt außerhalb des Bogengewölbes, unter dem Himmel, dem offenen Himmel .
    Was ihre Sinne wahrnahmen, waren endlos fallende Vorhänge und unruhige Farbmuster, doch sie konnte diese Eindrücke weder verarbeiten noch als plausibel akzeptieren, denn eigentlich waren da gar keine Farben, und vermutlich bewegte
sich auch gar nichts. Plötzlich verloren ihre Augen jeden Fokus. Der Himmel machte ihr und auch den anderen so zu schaffen, wie sie es noch nie erlebt hatten.
    »Es ist nicht gut, wenn ihr gleich alles auf einmal seht«, sagte Pahtun. »Selbst wenn die Visiere es filtern. Schaut nach unten. Schließt die Augen, falls sie euch wehtun.«
    Tiadbas Augen schmerzten

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