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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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zur Ruhe kommen, ehe sie uns einkassiert. Glaucous hat ein wirklich bizarres Selbstvertrauen.«
    »Er schützt dich.«
    »Ach ja? Wie seltsam. Ich brauche doch gar keinen Schutz.« Daniel rieb sich mit dem Daumen über die Schläfe. »Übrigens habe ich keine Spur von den Frauen gesehen, die fortgegangen sind. Von deinen Freundinnen.«
     
    Nachdem Glaucous sich vergewissert hatte, dass Daniel und Jack aus dem Weg waren, ging er auf Ginnys Nische zu. Mit der Sinnesschärfe einer Fledermaus hatte er vom hinteren Teil des Lagerhauses hören können, dass sie sich da drinnen gerührt hatte.
    Als er den dünnen Vorhang zur Seite zog, blinzelte sie und sah ihn verwirrt an. »Ich will Sie nicht in meiner Nähe haben«, brachte sie mühsam hervor, da ihre Zunge nach dem langen, schweren Schlaf immer noch träge war. »Ich werde um Hilfe rufen.«
    »Ich bitte demütigst um Entschuldigung für mein unhöfliches Auftauchen und meine schlechten Manieren.« Glaucous richtete den Blick zur Decke. »Übrigens sind die jungen Männer auf dem Dach, um ihre Neugier zu befriedigen. Offenbar lernen sie allmählich, einander zu vertrauen.«
    »Dazu ist Jack zu klug«, entgegnete Ginny, immer noch heftig blinzelnd. Ob sie diesen plötzlichen Tick ihren Nerven oder der Verärgerung zu verdanken hatte, wusste sie nicht. Alles ringsum wirkte grobkörnig, und alles schien auf ein baldiges Ende zuzusteuern, selbst ihr Gehirn.
    »Kann sein. Jedenfalls bin ich keine Bedrohung«, erwiderte Glaucous sanft. »Ich habe ja sogar diejenigen ausgeschaltet, die hier aufgetaucht sind, um Sie zu jagen. Den Mann mit der Münze und die Frau, die mit Feuer und Rauch herumgespielt hat. Ein grässliches Paar. Selbstverständlich habe auch ich meine Verpflichtungen, und sie mögen nicht zu den Ihrigen passen. Aber ohne Führung stelle ich für Sie keine größere Bedrohung dar als irgendeine dieser Lagerhauskatzen. Sie sind nicht die Maus, auf die ich es abgesehen habe. Wem sollte ich Sie auch ausliefern? Und warum?«
    »Bitte gehen Sie.«
    »Erst dann, wenn ich mein Gewissen erleichtert habe. Sie haben Ihr Vertrauen in den falschen Menschen gesetzt, und jetzt befürchte ich das Schlimmste. Bidewell ist viele Jahrzehnte untergetaucht, aber wir – die Leute meiner Art, allesamt Jäger – kannten ihn schon lange vor dieser Zeit. Bei uns war er eine wahre Legende.«
    »Zu mir ist er stets nett gewesen.«
    »Ja, diese Fähigkeit haben wir. Wenn wir wollen, können wir ungeachtet unseres sonstigen Auftretens durchaus charmant sein. Spüren Sie das nicht auch bei mir, selbst in dieser Situation? « Er senkte den Blick und legte sich die Hand an die Stirn, als schäme er sich. »Verzeihen Sie mir. Es geschieht instinktiv und ist hier zweifellos fehl am Platz. Ich werde sofort damit aufhören.« Er unterließ die zuckersüße, sirupartige Umnebelung.
    Das verwirrte Ginny noch mehr, so dass sie vor ihm zurückwich.
    »Ich werde nicht näher kommen und bald gehen. Aber ich muss Ihnen das erzählen … Aufgrund der Geisteshaltung eines ehrenwerten Jägers, der die Jagd bald wieder aufnehmen muss. Bidewell hat Sie alle aus dem gleichen Grund hierhergebracht, aus dem ich mich an denjenigen gehängt habe, der sich Daniel nennt. Ein seltsamer Bursche, spüren Sie das nicht? Er ist nicht das, was er zu sein scheint. Er ist uralt. Burschen wie ihn bezeichnen wir als schlechte Hirten , aber das nur am Rande. Jeder, der einen Stein besitzt, verbreitet eine Atmosphäre des Schutzes und sorgt somit dafür, dass andere in seinem Umkreis zur nächsten Ebene dieses verblüffenden Endspiels aufrücken können. Genau wie Sie, kleine Virginia. Ich verrate Ihnen das Muster, das Gesamtbild der nächsten flüchtigen Momente, die wir miteinander teilen werden: Ich werde meine Rolle in diesem Spiel erfüllen und Bidewell seine. Er wird Sie seiner Gebieterin ausliefern, und ich Daniel und Jack der meinigen.«
    »Ich glaube Ihnen kein Wort«, murmelte Ginny, aber ihre Augen sagten etwas anderes. Von jeher hatte sie sich schwer darin getan, Vertrauen zu anderen Menschen zu fassen.
    »Verzeihen Sie mir, dass ich Ihnen die Wahrheit enthüllt habe«, sagte Glaucous. »Aber selbst unter Leuten meiner Art gelten gewisse Regeln.«
    Mit starrem grauem Gesicht zog Glaucous sich zurück, schob den Vorhang wieder zu und kehrte in seine Abstellkammer zurück.

78
Das Chaos
    Unter dem steten Blick des Zeugen hatten die Schweigenden die Gruppe fast erreicht, als das ganze Land zu explodieren schien und

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