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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Geysire und Quellen dunklen Rußes aus dem Boden schossen. Daraufhin zogen sich die riesigen flachen Gesichter mit den ständig sondierenden Augen, die an Hochgewachsene, Nachgezüchtete und andere, den Marschteilnehmern unbekannte Arten erinnerten, unvermittelt zurück. Tiadba und ihre Gefährten blieben ausgestreckt auf dem schwarzen Boden liegen und warteten auf die Vernichtung. Die Vernichtung, die vorübergehend aufgeschoben war.
    Als Tiadba den Arm vom Visier nahm, sah sie, dass Khren und Shewel sich bereits wieder hingekniet hatten. Auch Herza und Frinna waren schon auf den Beinen. Vor Schock immer noch zitternd, schaffte Tiadba es in die Hocke und lauschte auf das Gebrüll und Gejammer, das ringsum zum Himmel aufstieg. Die zusammengepressten Ruinen einer toten Stadt waren entweder aus eigener Kraft im Umfeld des Zeugen aus dem Boden geschossen oder hierhin verschoben worden, als hätte jemand irgendeinen Haufen zum Verbrennen zusammengefegt und aufgeschichtet.
    »Wo sind wir?«, fragte sie. »Ist das Chaos geschrumpft?«
    Khren und Macht krochen zu ihr hinüber. Nico hatte wieder einmal eine Mauer gefunden, die seinen Füßen besseren Halt gab.
    »Es ist Bewegung hereingekommen«, verkündete die Stimme des Schutzpanzers. »Die Entfernungen sind geschrumpft.«
    Inzwischen hatten die Marschierer Aussichtspunkte gefunden, die den Blick zu allen Seiten hin freigaben. Im Moment interessierten sie sich weniger für die Stadt als für das, was mit den Schweigenden passiert war, und für den Standort des Zeugen, der jetzt fast unmittelbar über ihnen aufragte.
    Mit gerunzelter Stirn musterte Tiadba den Zeugen. Sein riesiger deformierter Kopf, so groß wie drei oder vier übereinandergeschichtete Blöcke der Ebenen, ruhte auf den massiven Fundamenten alter Gebäude. Das Gesicht sah so aus, als wäre es in müder Verzweiflung erstarrt. Vielleicht drückte diese halb zusammengeschmolzene Fratze Gefühle von Jahren aus, die weit über die Lebensspanne eines Nachgezüchteten hinausreichten. Dass sich jetzt alles verschob und veränderte, mochte ein Anzeichen dafür sein, dass das Chaos schneller als bisher agierte. Vielleicht würde sie tatsächlich mit eigenen Augen sehen können, wie diese zerstörte Stirn den Todeskampf ringsum reflektierte. Die Stirn unterstrich das riesige hervorstehende Auge, das sich ständig drehte, sogar noch. Innerhalb der pechschwarzen Pupille blitzte hin und wieder ein matter grüner Schimmer auf.
    Der Strahl, der die Umgebung sondierte, hatte vorübergehend unter einer Störung gelitten, doch jetzt konsolidierte und fokussierte er sich wieder, nahm erneut seine langsamen, endlosen Umdrehungen auf und durchschnitt das Chaos.
    Khren und Shewel zogen Tiadba hoch. Bis jetzt war keiner von ihnen verletzt. Obwohl sie sich im unmittelbaren Schatten des Zeugen befanden, umgeben von einem Wirrwarr aus zerstörten Mauern und umgestürzten Gebäudeteilen – Wendeltreppen, Türmen, Schmuckfassaden –, war ihnen nichts passiert.
    Die Mauern waren blitzschnell aus dem Boden gewachsen, während der Himmel einen widerwärtigen metallischen Grauton angenommen hatte und so etwas wie ein Wind über das Chaos hinweggefegt war, der schwarze Staubklümpchen verbreitete. Jetzt verbanden sich die sprudelnden Quellen plötzlich zu trichterartigen Wirbeln, die in hohem Bogen auf den verzerrten Horizont zuschossen.
    »Hierher!«, riefen Herza und Frinna.
    Tiadba schob Khren zurück und stieg die gegenüberliegende Schrägwand hinauf, um nachzuschauen, was sich tat. Alle sahen zu, wie die Schweigenden auf ihrem Pass herummanövrierten, sich niederkauerten und ihre Stelzenbeine einzogen, um den Wirbeln auszuweichen, die jetzt wie dicke Finger wirkten. Die Marschierer kamen sich so vor, als säßen sie in der Mitte einer riesigen Handfläche fest. Ringsum stieg etwas auf, das wie mit Grau- und Silbertönen gesprenkelter Rauch aussah, und das Chaos explodierte erneut. Diesmal flammten rötliche Lichtblitze auf und verbreiteten sich über den zerfurchten Himmel.
    »Weitere Übergriffe des Chaos«, erklärte der Schutzpanzer.
    »Das sehe ich.« Tiadba vergewisserte sich, dass der Beutel mit ihren Büchern – nein, den Büchern der Gruppe — noch innen am Bein ihres Schutzanzugs befestigt war.
    Wie sollte Jebrassy sie hier jemals finden, sich jemals den Weg durch diese Hölle bahnen?
    »Wo ist der Leitstrahl der Kalpa?«, fragte Nico. »Ich kann ihn nicht mehr ausmachen.« Falls sie den Leitstrahl verloren hatten,

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