Die Stadt am Ende der Zeit
gemacht schien. Sie gelangten noch weiter nach unten und in einen Teil der Ebenen, von dem Jebrassy noch nie gehört hatte. Es war ein schon lange nicht mehr genutzter Lagerbereich, der offenbar nur noch so heimlichen Zusammenkünften wie dem bevorstehenden Treffen diente.
Mit strahlendem Gesicht, weil sie dieses verschwörerische Tun so aufregend fand, versicherte Tiadba ihm, dass niemals Wächter hierherkämen. »Dieser Plantagenwächter hat uns gar nicht beachtet. Findest du das nicht auch seltsam? Dabei haben wir uns auf verbotenem Gebiet aufgehalten, dazu noch kurz vor der Dämmerung.«
Jebrassy gab ihr Recht.
»Manche glauben, dass man den Wächtern befohlen hat, sich herauszuhalten. Sie nehmen an, dass wir genau das tun sollen , was wir derzeit tun.«
Jebrassy widersprach ihr nicht, jedenfalls nicht laut, aber innerlich war er völlig anderer Meinung. Er betrachtete sich lieber als aufsässig, wollte keine Figur in einem Spiel abgeben, das sich ein anderer ausgedacht hatte.
Als sie endlich in dem kleinen runden Raum ankamen, wo die ausgewählten Marschteilnehmer im Schein von drei uralten grünen Lampen im Kreis herumhockten, fühlte er sich wie
ein Idiot. Wie ein Mann, dem die Liebe den Verstand geraubt hat.
Klar, Tiadba war das wunderbarste Geschöpf, das man sich vorstellen konnte. Aber ihre Sturköpfigkeit war noch schlimmer als seine. Auf seine Gefühle achtete sie kaum, denn sie hatte immer nur Ziele vor Augen. Genauer gesagt: die eigenen Ziele. Und jetzt war dieses Ziel, das sie über alles stellte, auch über seine Liebe, der Marsch. Sie hatte ihn im wahrsten Sinne des Wortes hierhergeschleppt: hatte vor dem Aufbruch aus den mittleren Ebenen ein Seil um seine Hüften geschlungen, damit er beim Abstieg nicht von der bizarren Sprossenleiter stürzte. Und selbst jetzt zerrte sie ihn vorwärts, damit er im Kreis der Gruppe Platz nahm und mit den anderen auf ihre Anführerin wartete – die alte Sama namens Grayne. Alle blickten abwartend zur halbdunklen Raummitte hinüber.
»Sie enttäuscht einen nie«, vertraute ein junger Mann Jebrassy an, während er und Tiadbra sich Schulter an Schulter zwischen die anderen quetschten und niederkauerten. Jebrassy fragte sich, ob die Bemerkung Tiadba galt, und wollte schon beleidigt reagieren, doch es wurde schnell klar, dass der Mann sich auf die alte Sama bezog.
Alle hockten sich hin, ließen sich nach hinten fallen und lehnten sich gegen die Mauer. Es dauerte nicht lange, bis in Jebrassy wieder das vertraute, eiskalte Gefühl von Unterdrückung hochkam. Ihm war dieser Ort zuwider. So liebend gern er auch an einem Marsch teilnehmen wollte: All diese Geheimnistuerei und das Versteckspiel empfand er als albern und gekünstelt.
»Seltsamer Treffpunkt«, flüsterte er Tiadba zu, doch sie tat so, als hätte sie ihn nicht gehört. »Man hätte doch wenigstens Stühle und einen Tisch hinstellen können.«
»Wir hinterlassen nie Spuren«, erwiderte Tiadba, und der junge Mann neben Jebrassy nickte zur Bestätigung.
»Wenn die Wächter sowieso nie hierherkommen, wozu dann die Umstände?«
»Wir wahren die Form «, erwiderte der Mann gereizt und verpasste ihm einen Rippenstoß. »Der Marsch wird immer auf diese Weise vorbereitet.«
»Ich würde anders vorgehen«, erklärte Jebrassy mürrisch.
»Was würdest du denn tun?«, fragte der Mann mit düsterer Miene. Er beugte sich vor, um Tiadbas Reaktion abzuschätzen, doch sie tat so, als hätte sie von dem ganzen Wortwechsel nichts mitbekommen – und das brachte Jebrassy noch mehr in Rage.
»Ich würde allein losziehen oder mit einer Gruppe von Leuten, die ich kenne und denen ich vertraue. Gut ausgebildet.«
»Und wer wäre der Anführer?«
»Ich natürlich.«
Der Mann kicherte. »Und woher würdest du deine Ausrüstung bekommen?«
»Er hat keine Ahnung von Ausrüstungen«, warf Tiadba ein.
»Warum hast du ihn dann überhaupt mitgebracht? Wir sind fast startbereit. Das hier soll doch angeblich eine Gruppe von Leuten mit Erfahrung sein.«
»Weil Grayne es so wollte.« Was nur die halbe Wahrheit war.
Der Mann dachte kurz darüber nach und zuckte die Achseln. »Wie heißt er denn?«
»Jebrassy.«
»Der Kämpfer?« Der junge Mann stupste Jebrassy erneut an, diesmal mit dem Ellbogen an den Arm. »Ich hab dich schon kämpfen sehen. Ich heiße Denbord.« Er deutete auf die anderen
beiden Männer. »Und das sind Perf und Macht. Wir sind Freunde. Eigentlich wollten wir auch an Kämpfen teilnehmen, aber der Marsch
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