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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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das Geheimnis liegt darin, dass die Verzweigungen nicht auf Dauer bestehen. Sie bilden ein Wegintegral, das bei geringstem Energieaufwand die größte Wahrscheinlichkeit und die größte Effizienz aufweist … Er hat etwas gesagt, das so durch und durch genial war, dass es schon wieder stupide klang. Er sagte: Dunkle Materie ist ein Stoff, der nur darauf wartet, in Erscheinung zu treten. «
    Mary hatte die Arme verschränkt und beobachtete ihren Mann, und je mehr er sagte, desto schmaler wurden ihre Lippen.
    »Er hat einige Gleichungen aufgeschrieben. Klar, es handelt sich um Parallelwelten, aber auch um die effizientesten Zustände der Bewegung und Wechselwirkung von Proteinen, Lösungen zur Schichtung von Sand- und Salzkristallen, vielleicht sogar um Verteilungen und Wahrscheinlichkeiten bei der Erzeugung von Spartikeln , Teilchen dunkler Materie, in Hochenergiebeschleunigern. Wenn dir das nicht passt, Mary, dann halte dich bitte einfach raus. Geh lesen, back Brot oder mach sonst was. Der Mann ist eine Goldmine.«
    Seine Frau machte große Augen. »Hast du ihn überhaupt gefragt, woher er so viel über uns weiß?«
    Freds Nasenflügel blähten sich. »Die Antwort wird dir nicht gefallen.«
    »Probier’s aus.«
    »Er weiß, was vor Daniels Tod geschehen ist, und einiges von dem, was du mir schon erzählt hast. Ich hab ihn nicht dazu aufgefordert, er hat’s freiwillig erzählt.«
    »Das hat er schon irgendwie herauskriegen können.«
    »Hast du etwa jemandem davon erzählt, dass du euren Terrier mit Silberfarbe übersprüht hast, als er dich gebissen hat?«
    Mary starrte ihn wütend an, ihr schossen Tränen in die Augen.
    »Siehst du. Er weiß über deinen älteren Bruder Bescheid. Und er weiß auch, wie dein Vater war.«
    Marys Gesicht nahm den Ausdruck qualvollen Kummers an. Schlimmer, als es nicht zu glauben, war es, die Wahrheit nicht annehmen zu wollen. »Weiß er, wie Daniel gestorben ist?«
    »Das würde jeder Logik widersprechen.«
    » Du musst es jemandem erzählt haben.« Mehr und mehr steigerte sie sich in Wut hinein.
    »Ich hab’s nie jemandem erzählt, Mary. Nimm’s einfach so, wie es ist: Er weiß über dich und deine Familie Bescheid, aber kaum etwas über die Zeit nach seinem, ich meine nach Daniels Tod. Dieser Daniel ist nie gestorben. Und in seiner Welt haben wir nie geheiratet. Selbst wenn er unter einer Wahnvorstellung leidet, ist sie genial. Ich will nicht behaupten, dass er mich überzeugt hat, aber ich muss ihm weiter zuhören. Bitte, Mary.« Sanft drückte er ihren angespannten Arm. »Vielleicht verwickelt er sich ja in logische Widersprüche. Dann werfen wir ihn einfach raus oder übergeben ihn der Polizei.«
    Sie wirkte besänftigt; vielleicht war sie dieses Gespräch auch nur leid. »Ich könnte ihm einige wirklich schwierige Fragen stellen. Du weißt, dass er dann passen müsste.«
    »Er wird unruhig, wenn du in der Nähe bist. Traurig und zugleich aufgedreht. Und er ist nicht gerade bei bester Gesundheit. «
    Ihre Schultern sackten herunter. »Und wie lange soll das noch gehen?«
    »Könnte den ganzen Abend dauern. Er kann auf der Couch schlafen. Im Vergleich zu dem, was er gewohnt ist, wäre das ein Luxus. Bitte, Mary.«
    Was ihr Blick ausdrückte – Verletztheit, Verwirrung, Wut –, spiegelte sich auch in seiner Miene wider, doch sein forschender Blick blieb fest. Ihr war klar, dass Fred nicht nachgeben würde.
    »Finde heraus, wer er wirklich ist«, murmelte sie. »Er lügt. Er ist verrückt. Und selbst wenn er mein Bruder wäre, würde ich nicht mit ihm reden, wie du weißt. Daniel war ein unglaublicher Mistkerl. Deshalb hat John ihn umgebracht – um uns Übrige zu retten. Um mich zu retten. Das weißt du doch noch, oder?«
    »Klar«, erwiderte Fred allzu hastig und klopfte ihr auf die Schulter. »Aber wie du ja ständig sagst, kann er gar nicht dein Bruder sein, stimmt’s? Warum gehst du nicht ins Bett und überlässt ihn mir?«
    »Ich will ihn nicht unter unserem Dach haben. Er macht mir Angst, Fred.«
    »Mir auch, Liebling. Mit seiner Klugheit.«
    Sie stieg die Treppe zum Schlafzimmer im ersten Stock hinauf und ließ Fred auf dem Gang stehen. Er starrte auf die dort hängenden Drucke, die er von ihren Fotos hatte machen lassen. Mary hatte sie in Genf und Brookhaven aufgenommen, wo sie vor zwanzig Jahren gewohnt hatten, denn ihr Vater hatte dort gearbeitet. Von einem der Drucke hingen Reste eines Spinnennetzes herunter, Spuren von Seidenfäden, die auseinandertrieben und

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