Die Stadt am Ende der Zeit
ist wichtiger.«
Die anderen, denen man Jebrassy noch nicht vorgestellt hatte, fassten sich an die Nase und sahen einander voller Einverständnis an: Kämpfer waren zu bedauern, wie amüsant ihre kleinen Kriege auch sein mochten.
»Still jetzt«, sagte Tiadba. »Sie kommt.«
Der Kreis der Anwesenden hatte einen Spalt neben dem Tunneleingang frei gelassen. Die Luft war inzwischen so stickig und schwül, dass Jebrassy zu schwitzen begann.
Eine alte Frau trat ein. Sie war mindestens einen Kopf kleiner als Tiadba und ging dazu noch gebückt. Es war tatsächlich die Sama, mit der sich Jebrassy auf dem Markt getroffen hatte. Sie bewegte sich langsam und vorsichtig und stützte sich auf einen Stock. Zwei jüngere Frauen in langen grauen Hemden und Sandalen folgten ihr mit Körben. Früchte wurden herumgereicht – Trauben, die noch nicht ganz reif, aber sehr saftig waren. Außerdem getrockneter Hanf zum Kauen. Während die Gruppe sich bediente, hockte sich die alte Frau in der Mitte der Kammer hin. Mit den dunklen Augen, die ihr erschöpftes, unansehnliches Gesicht überstrahlten, suchte sie den Kreis ab. Schließlich blieb ihr Blick an Tiadba hängen, wobei die harte Linie ihrer Lippen weicher wurde, und schließlich an Jebrassy. Sie nickte ihm verbindlich zu.
Eine der jüngeren Frauen brachte Grayne einen niedrigen Hocker, auf dem sie ächzend Platz nahm, während sie ihre Inspektion abschloss.
Will man uns hereinlegen?, überlegte Jebrassy. Diese alte Frau kann doch unmöglich einen Marsch anführen. Warum hat der
Düstere Aufseher sie noch nicht geholt? Er spürte, wie sein Gesicht sich verkrampfte, und zwang sich, eine lockere Miene aufzusetzen, denn er wollte von sich nicht mehr als unbedingt nötig preisgeben.
»Zwanzig sind ausgewählt«, begann Grayne. »Vier aus dieser Gruppe, sechzehn … von anderswo. Die Kalpa besteht für alle Zeiten, aber wir sind neu . Wir stehen für Jugend und das Neue . Wir sind weder Haustiere noch Spielzeug – wir bedeuten Hoffnung . Und diese Hoffnung wird unter Verschluss gehalten, bis man sie braucht. Jetzt wird dieser Verschluss geöffnet, denn man braucht uns. Niemand sonst in der Kalpa ist willens, das Chaos zu durchqueren.«
»Niemand sonst«, intonierte die Gruppe im Chor.
»Wir schicken unsere Marschteilnehmer durch die Tore, über die Grenze des Realen, ins Mysterium, denn wir wollen unsere verschollenen Cousins und Cousinen wiederfinden und uns selbst befreien. Was ist da draußen , jenseits der Kalpa?«, fragte Grayne leise. »Weiß das irgendjemand mit Sicherheit?«
Jebrassy schüttelte den Kopf. Seine Augen waren von dem eindringlichen Blick ihrer dunklen Augen wie gebannt.
»Weißt du’s?«, sprach sie ihn direkt an.
»Nein.«
»Und so lassen wir alle uns auf das Mysterium, das Unbekannte ein, um dem Erstickungstod zu entgehen. Bist du auf unserer Seite?«
»Ja«, erwiderte Jebrassy.
Grayne musterte ihn gründlich, stand von dem Hocker auf, griff in die Tasche ihres Gewandes und holte einen kleinen Beutel heraus. Danach wanderte sie in der Kammer herum und reichte jedem außer Jebrassy kleine viereckige Karten.
»Vor dem Marsch werden wir uns noch einmal treffen. Alle werden jetzt gehen – bis auf den Kämpfer und Tiadba.«
Gefolgt von Jebrassy, half Tiadba Grayne bis zur Oberfläche hinauf. Oben blieben sie einen Augenblick stehen, damit Grayne langsam wieder zu Atem kommen konnte. »Alles, was du zu wissen glaubst, ist falsch, junger Kämpfer«, erklärte sie.
Die anderen Gruppenmitglieder hatten sich bereits über das von Furchen durchzogene Brachland verteilt, danach den Weg durch die kleinen Gehölze genommen und sich an dem einsamen regungslosen Wächter vorbeigeschlichen, dessen Treibflügel in der Dunkelheit pulsierten und schwach bläulich funkelten. Um sich warmzuhalten, hatten die Pedes sich mittlerweile zusammengerollt und aneinandergeschmiegt. Ihre glänzenden Leiber zuckten, wie im Dämmerlicht zu sehen war.
»Ich weiß ja, dass ich keine Ahnung habe«, sagte Jebrassy mit gesenkter Stimme. »Aber dumm bin ich nicht.«
Grayne streckte die Hand aus, umfasste Jebrassys Kinn mit ihren starken, knorrigen Fingern und drehte sein Gesicht so, dass es ihr zugewandt war. Ihr Blick durchbohrte ihn. »Tiadba hat mir erzählt, dass dein Besucher nichts von den Ebenen oder der Kalpa weiß. Woher kommt er deiner Meinung nach?«
Jebrassy entzog sich ihr nicht. »Vermutlich weiß Tiadba mehr über ihn als ich.«
»Schon gut.« Die Luft hatte
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